Da hatte Eris, die griechische Göttin der Zwietracht, dem armen Hirten Paris ja etwas Schönes eingebrockt. Ausgerechnet er sollte im Wettstreit zwischen den drei Göttinnen Athena, Helena und Venus entscheiden, welcher von ihnen der Apfel mit der Aufschrift „der Schönsten“ gebühre. Das Rennen schließlich machte Venus – ob sie allerdings wirklich die Schönste war, darf bezweifelt werden, immerhin hatte sie Paris bestochen und ihm für seine Entscheidung die schöne Helena versprochen.
Welche Göttin nun auch immer die größte Attraktivität besaß – die Sage zeigt, dass das Streben nach Schönheit schon sehr, sehr alt ist und selbst für diejenigen eine Bedeutung hat, die doch eigentlich schon alles haben. Heute ist es nicht anders, die Kosmetikindustrie macht Milliardenumsätze mit unseren Versuchen, möglichst schön zu wirken. Warum aber wollen wir überhaupt gut aussehen?
Schuld daran ist nur die geschlechtliche Fortpflanzung. Würden wir uns alle parthenogenetisch, also ohne vorhergehende Befruchtung fortpflanzen, wäre uns allen das Aussehen vermutlich furchtbar egal. Die sexuelle Reproduktion aber hat einige Vorteile und konnte sich daher im Laufe der Evolution durchsetzen. Hierbei tragen die Nachkommen nicht die identische genetische Information wie die Mutter, sondern haben Anteile aus den Genen beider Elternteile. Auf diese Weise wird die Variabilität der Gene gefördert und der Genpool einer Population ist eher für veränderte Umweltbedingungen gerüstet – die Wahrscheinlichkeit, dass die Population ausstirbt, ist somit geringer.
Um nun unsere Gene im Genpool zu erhalten, müssen wir möglichst viele Nachkommen mit einer hohen Überlebenschance zeugen – zumindest rein biologisch gesehen. Gesunder Nachwuchs setzt vor allem gutes Genmaterial voraus – und da kommt die Wahl des Partners ins Spiel. Die Kriterien zur Partnerwahl unterscheiden sich kulturell nicht so stark, wie man annehmen könnte.
Ein Beispiel: Marilyn Monroe war unter anderem für ihre aufreizende Sanduhr-Figur mit der schmalen Taille berühmt. Bei weiblichen Models gilt 90-60-90 als Gardemaß und Korsetts, die die Taille von Frauen eng zusammenschnüren, waren im Laufe der Jahrhunderte immer mal wieder in Mode. Die Forscher glauben zu wissen, warum das so ist. Ausgerüstet mit Bildern von zwölf Frauen im Badeanzug – alle mit unterschiedlichem Taille-Hüfte-Verhältnis – reisten sie um die Welt und befragten die verschiedensten Kulturen nach der schönsten Frau.
Die Ergebnisse sind eindeutig. Eine der Badeanzug-Schönheiten wird weltweit bevorzugt. Aus ihren Proportionen kann ein Taille-Hüfte-Verhältnis von 0,7 errechnet werden. Je nach Kultur schwankt das Schönheitideal um diesen Wert. Einige afrikanische Völker bevorzugen insgesamt größere Proportionen – das ideale Verhältnis von Taille zum Hüftumfang liegt aber auch hier bei 0,74. Die schmale Taille stellt dabei vermutlich eine Art Schlüsselreiz dar, der eine erwachsene, zeugungsfähige Frau kennzeichnet. Der in der Kindheit noch eher zylindrische Körper produziert nun genug weibliche Hormone, zusätzliches Fett wird für die Schwangerschaft eingelagert. Mit dieser Frau kann also Nachwuchs gezeugt werden – sie gilt als schön.
Bei Männern hingegen gilt ein Verhältnis von 0,9 als besonders attraktiv. Dazu breite Schultern, ein kräftiges Kinn, markante Züge und eine hohe Statur. Dies alles sind Zeichen für einen hohen Testosteronspiegel. Die durch Testosteron ausgeprägten Eigenschaften wie eine verstärkte Muskelbildung wiederum befähigen den Mann besonders gut dazu, die Frau in der (damals) gefährlichen Zeit der Schwangerschaft zu unterstützen.
Alles passt gut zusammen – bis auf eine Kleinigkeit. Die Matsigenka, ein kleiner Stamm in Peru, bevorzugt Frauen, bei der gar keine Taille zu sehen ist. Lange grübelten die Forscher über diese Ausnahme nach, bis sie schließlich den Grund fanden: Die Matsigenka bevorzugen männliche Nachkommen – und die ist um so wahrscheinlicher, je weniger weibliche Hormone die Partnerin produziert. Und diese Frauen erkennt man an den schmalen Hüften.
Stand: 01.07.2005