„Die Bodendegradierung und hier insbesondere die Verschlechterung der Bodenfruchtbarkeit ist eine der tiefgreifenden Herausforderungen für die Menschheit. Denn die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung hängt von den zur Verfügung stehenden Bodenressourcen ab.
Durch die abnehmende Fruchtbarkeit des Bodens fällt die Ertragskraft in einigen Gebieten dramatisch und das bis zu einem Punkt, wo die Fähigkeit der Menschen, sich von den Erträgen dieses Bodens zu ernähren, eingeschränkt oder gar unmöglich wird. Selbst unter Bedingungen einer geringfügigeren Degradierung wird die Nutzung des Bodens zur Sicherung der Ernährung der betroffenen Bevölkerung zunehmend schwierig – ganz abgesehen von der Beeinträchtigung einer guten und beständigen Entwicklung (…).
Aufgrund der Bodendegradierung hat sich der Bestand an natürlich-biologischen Ressourcen stetig verringert. Der Verlust an Artenvielfalt, Versalzung, Bodenerosion sowie Wüstenbildung haben nach und nach die Fruchtbarkeit des Ackerlandes verringert. Einige argumentieren, daß der Anstieg der Lebensmittelproduktion zu Lasten unseres Bestands an Ressourcen gegangen ist und daß diese Ressourcen, die wichtig für die Aufrechterhaltung der Lebensmittelversorgung sind, sich somit erschöpfen und degradiert werden.
Heute sehen wir einem erheblichen Verlust beim Anstieg der Lebensmittelproduktion entgegen. In einigen sich entwickelnden Regionen, insbesondere in der Region Sub-Sahara in Afrika, sinkt die Lebensmittelproduktion in der Tat. In 90 der ärmsten Länder der Welt hat die Pro-Kopf-Produktion an Lebensmitteln abgenommen, 44 dieser Länder sind in Afrika. In vielen Ländern hat sich gezeigt, daß die Grenzen des natürlichen Gleichgewichts der Erde, die kummulative Auswirkungen der Umweltdegradierung, sich bereits gezeigt haben und daß die Grenzen der ertragssteigernden Technologien bereits erreicht sind.
Bevölkerungsprognosen lassen annehmen, daß bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts die Weltbevölkerung auf über 10 Milliarden ansteigen könnte, was eine erhebliche Nachfrage an Lebensmitteln, Energie und Dienstleistungen zur Folge hätte. Die Lebensmittelproduktion müßte sich knapp verdoppeln, und zur selben Zeit müßte die einheimische Getreideproduktion in den Entwicklungsländern um mehr als 250 Millionen Tonnen steigen.
Die Verbindung zwischen Bodendegradierung und Armut liegt auf der Hand. Wenn die Kapazität des Ökosystems, menschlichen Bedürfnisse zur befriedigen, beschnitten werden, dann wird die Notlage jener Menschen, deren Lebensunterhalt direkt von einem Landgebiet abhängt, noch verschlechtert und eine Entspannung der Situation sowie eine Entwicklung wird noch schwieriger. Nach Angaben der Weltbank haben 740 Millionen Menschen, oder ein Mensch von acht, nicht genug Nahrungsmittel zur Verfügung, um ein produktives Arbeitsleben zu führen.
Das Gesicht des Hungers ist verborgen hinter den Fassaden der Armut, Krieg, Verwüstung und Bodendegradierung. Sehr viele Menschen leiden unter Hunger, weil eine Katastrophe sie von ihrer Heimat entwurzelt hat. Meistens jedoch leiden sie Hunger, weil sie arm sind und ihr Land nicht genug Nahrung hervorbringen kann. Dies birgt ein Risiko für ein erhöhtes Niveau an zusätzlichen sozialen und politischen Konflikten, in den derzeit 80 Ländern der Erde, die unter Bürgerunruhen und politischer Gewalt zu leiden haben.
Armut und derartige Konflikte haben Massenbewegungen von Menschen hervorgebracht, die von ländlichen in städtische Gebiete und von Entwicklungsländern in die entwickelten Länder flüchten. Über 80 Millionen Menschen leben derzeit im Ausland und zirka zwei Millionen Menschen wandern jährlich aus. Die Anzahl von Flüchtlingen ist weltweit von 2,5 Millionen auf 20 Millionen innerhalb von zwanzig Jahren gestiegen (…).
Die Degradierung der Anbauflächen und der Wassermangel, verschärft durch den wachsenden Druck steigender Bevölkerungszahlen, haben zu einer verstärkten Flucht aus den ländlichen Gebieten geführt. Umweltflüchtlinge blähen die Zahl der existierenden Flüchtlinge auf (…).“
(Quelle: Rede des Exekutivdirektors des UN-Umweltprogrammes, Prof. Klaus Töpfer, zur Eröffnung der „Woche der Welthungerhilfe“ 1998)
Stand: 22.02.2002