Aber was passiert nun genau im Körper? Spielen wir eine mögliche Gefahrensituation durch. Sie sind im Urlaub und entdecken plötzlich vor Ihren Augen eine Schlange. Das Bild der Schlange wird aufgenommen und zum Gehirn geschickt. Dort gelangt es zunächst zum Thalamus, der sensorischen Schaltzentrale des Gehirns. Alles was unsere Sinne aufnehmen, passiert diesen Weg. Der Thalamus sendet die Signale nun auf zweierlei Wegen weiter: Einmal auf der Überholspur Richtung Amygdala, und einmal wesentlich langsamer zum Großhirn.
Das Unterbewusstsein denkt für uns
Erreicht der Reiz die Amygdala und die Situation wird als Gefahr eingestuft, reagiert die Gehirnregion blitzschnell und informiert weitere Hirnareale. Es werden dann Hormone wie Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin ausgeschickt, die alle daran beteiligt sind, das vegetative Nervensystem zu aktivieren: Der Sympathikus schaltet an und der Parasympathikus ab. Der US-amerikanische Psychologe und Neurowissenschaftler Joseph LeDoux von der University of New York erklärt: „Sobald man sich in Gefahr befindet, reagiert man schon. Die Evolution denkt für dich.“
Der Körper verfällt zunächst in einen kurzen Schockzustand, eine Schrecksekunde. Diese kurze Zeitspanne ist dafür da, die Gefahrensituation genauer zu analysieren. Denn in der Zeit arbeitet der präfrontale Cortex, ein Bereich unserer Großhirnrinde, ebenfalls auf Hochtouren und analysiert die Situation. In diesem Areal spielt sich der Großteil unseres Bewusstseins ab. Das heißt, während unser Unterbewusstsein bereits handelt, „denkt“ unser Bewusstsein noch.
Auch die Amygdala schickt die grobe, unbewusst analysierte „Situationsskizze“ an die Großhirnrinde. Es kommt nun bereits zum Flucht- oder Kampfverhalten. Erst wenn der präfrontale Cortex der Amygdala wieder mitteilt, dass keine Gefahr besteht oder die Gefahr gebannt ist, wird die Situation im Kopf „entschärft.“ Zum Beispiel, wenn wir erkannt haben, dass es sich bei der Schlange lediglich um eine Attrappe handelt und wir unsere Angst nur noch beschämt belächeln. LeDoux meint, dass erst diese Rückkopplung eine bewusste Angstempfindung möglich macht.
Wenn die Boten streiken
Wichtig dafür, dass ein Signal übermittelt wird, sind die Neurotransmitter, unsere Botenstoffe im Gehirn. Diese vermitteln zwischen den Synapsen verschiedener neuronaler Nervenzellen. Dabei haben verschiedene Neurotransmitter in verschiedenen Gehirnregionen auch unterschiedliche Funktionen. Dopamin ist einer der bekanntesten Botenstoffe und für eine Reihe von Aufgaben verantwortlich – die meisten kennen es jedoch nur als Glücksbotenstoff. In der Amygdala kommt ihm aber die gegensätzliche Aufgabe zuteil: Angst erzeugen. Je mehr Dopamin in der Amygdala ausgeschüttet wird, desto größer ist die Angstreaktion.
Ein zweiter bekannter Botenstoff ist das Serotonin. Dieses findet man bei der Angstentstehung im Hirnstamm, jedoch gerade wenn dieser Botenstoff fehlt oder nicht „durchkommt“, kommt es zum Gefühl der Sorge, Unruhe und Angst. Daher kann Serotoninmangel auch zu depressiven Verstimmungen und Aggressionen führen.
Es gibt noch weitere Neutransmitter, die eine Rolle bei der Angstentstehung spielen, wie etwa GABA oder Norepinephrin. Dabei ist nicht immer die Menge ausschlaggebend, sondern auch ob die Botschaft seitens der Neuronen und Synapsen überhaupt versandt und verstanden wird. Es gibt eine Vielzahl an Ursachen, die sich dann in Stimmungsschwankungen und einer Änderung des Verhaltens und Denkens zeigen.
Marie Ahrweiler