Bei einem Planeten wie der Erde ist es einfach: Solche Himmelskörper sind im Kern sehr heiß, werden aber nach außen hin immer kühler. Nicht so bei der Sonne. Sie besitzt neben ihrem heißen Kern eine zweite Hitzezone – die solare Korona. Sie ist viel heißer als die Sonnenoberfläche – und das gibt den Astronomen bis heute Rätsel auf.
Die rätselhafte Linie
Die Geschichte des Korona-Rätsels beginnt bereits vor mehr als 150 Jahren während einer totalen Sonnenfinsternis. Nur sie bot den Astronomen damals die Chance, die solare Atmosphäre näher beobachten. Weil der Mond dabei die gleißend helle Scheibe der Sonne vollständig bedeckt, werden die weit ins All hinausreichenden Schlieren der Korona nicht mehr überstrahlt, sondern treten deutlich hervor.
Im Jahr 1869 nutzten Astronomen die Chance, während einer Sonnenfinsternis das Licht der Korona mit Spektrometern zu analysieren. Dabei entdeckten sie eine grüne Spektrallinie mit 530,3 Nanometern Wellenlänge, die zu keiner der Spektralsignaturen der bekannten chemischen Elemente zu passen schien. Was aber erzeugte dann diese deutliche Linie im Korona-Spektrum?
„Coronium“ – ein Element der Sonne?
Nach Ansicht der Forscher musste dafür ein noch unbekanntes, auf der Erde nicht vorkommendes Element verantwortlich sein. Sie tauften dieses Sonnenelement daher nach seinem Herkunftsort „Coronium“. Später fanden Astronomen auch in Sternennebeln diese grüne Spektrallinie, was sie in ihrer Annahme noch bestätigte. Sogar Dmitri Mendelejew, der „Vater“ des Periodensystems der Elemente, glaubte an die Existenz von Coronium.
Erst rund 70 Jahre später deckten die Astrophysiker Walter Grotrian und Bengt Edlen das wahre Geheimnis des Coroniums auf: Die grüne Spektrallinie stammt von Eisenionen, die die Hälfte ihrer 26 Elektronen verloren haben. Neben dieser sehr dominanten Linie identifizierten die Forscher zudem weitere Spektralsignaturen von mehrfach ionisiertem Eisen.
Unglaubliche Hitze
Seltsam nur: Um dem Eisenatom 13 seiner Elektronen zu entreißen, sind ungeheure Energiemengen nötig. Sie sind so groß, dass die grüne Linie des Eisen13+-Ions zu den „verbotenen Linien“ der Spektrometrie gezählt wird. Sie gehört zu den Energieübergängen, die so selten sind, dass sie im Labor nicht oder nur sehr schwer erzeugt werden können. Damit dieses Eisenion in der Sonnenkorona entsteht, müssten in ihr Temperaturen von mehr als einer Million Grad herrschen.
Das aber bedeutet: Die äußere Atmosphäre der Sonne ist mehr als 200 Mal heißer als ihre Oberfläche. Und nicht nur das: In der unteren Korona nimmt die Temperatur innerhalb von nur wenigen hundert Höhenkilometern um rund eine Million Kelvin zu. „Auf den ersten Blick widerspricht ein solcher Temperaturverlauf jedem physikalischen Verständnis“, erklärt Sami Solanki vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. Denn das wäre so, als würde es in einem beheizten Raum mit zunehmendem Abstand von der Heizung immer wärmer.
Wie ist das möglich?
Nadja Podbregar
Stand: 10.08.2018