Geologie/physische Geographie

Bremser und Wellenmacher

Was Seamounts mit Erdbeben und Tsunamis zu tun haben

Die meisten vulkanischen Seamounts sind zwar erloschen und drohen daher heute keine Lava mehr zu speien. Dafür aber können die Unterseeberge bei anderen Naturgefahren eine entscheidende Rolle spielen: Erst seit Kurzem ist bekannt, dass Seamounts das Risiko für Erdbeben und Tsunamis beeinflussen. Denn sie sorgen sozusagen für Sand im Getriebe der Plattentektonik.

Zerquetschte Seamounts

Den ersten Hinweis darauf fanden Geoforscher an der Nordinsel von Neuseeland. Sie liegt auf der Plattengrenze von Pazifischer und Australasischer Platte und damit in einer der aktivsten Vulkanzonen der Erde. Dadurch gibt es hier nicht nur an Land viele Feuerberge, sondern auch am Meeresgrund vor der Küste.

Nordöstlich von Neuseeland taucht die Pazifische Platte unter die Australische Platte ab. Dabei nimmt sie auch Teile des Hikurangi-Plateaus und die daraufsitzenden Seamounts mit in die Tiefe. © NASA

Rebecca Bell vom Imperial College London und ihre Kollegen stießen hier 2014 auf etwas Ungewöhnliches: Im Meeresgrund, mitten in der Subduktionszone, fanden sie Reste zweier erloschener Untersee-Vulkane. Diese waren zerquetscht und in die Tiefe gedrückt worden, als sich die eine Erdplatte unter die andere schob. Die Position und der Zustand dieser Seamount-Reste legten nahe, dass ihr Ende nicht reibungslos vonstatten gegangen war. Was aber war geschehen, und wann?

Erst langsames Rollen, dann Tsunami

Indizien lieferten Augenzeugenberichte und seismische Daten zweier ungewöhnlicher Erdbeben, die sich im März und Mai 1947 an der Ostküste der Nordinsel ereignet hatten. Augenzeugen berichteten, sie hätten damals statt des typischen schnellen Erdbebenzitterns nur ein anhaltendes Rollen des Untergrunds verspürt. Einige seien sogar seekrank geworden.

Messdaten zeigen, dass der Herd der nur mittelstarken Beben sehr dicht unter der Oberfläche lag und dass sie den Meeresgrund in große, aber langsame Bewegungen versetzten – genau die Bedingungen, die zu einem Tsunami führen können. Tatsächlich wurde die Küste jeweils rund 30 Minuten nach dem Beben von einem zehn und sechs Meter hohen Tsunami überflutet.

Schuld an diesen seltsamen Tsunami-Beben waren die beiden Seamounts, wie sich zeigte. Die aus dem Meeresboden aufragenden Unterseeberge hatten an der Plattengrenze wie Widerhaken gewirkt und das aneinander Vorbeigleiten der beiden Erdplatten gehemmt. Als Folge verhakte sich das Gestein, die Plattendrift stockte und Spannung baute sich auf. Sie entlud sich erst, als die Seamounts zerbrachen und führte zu einem Beben mit besonders langsamen Wellen. Inzwischen haben Forscher auch an einer Verwerfung vor Japans Küste Hinweise auf einen ähnlich Tsunami-fördernden Effekt entdeckt.

Je nach Beschaffenheit und tektonischer Umgebung können Seamounts die Subduktion hemmen oder sogar erleichtern. © NOAA/ Gulf of Alaska 2004 Seamounts Expedition

Starkbeben verhindert

Aber Seamounts sind keineswegs immer die „Bösewichte“ im tektonischen Geschehen. Sie können auch dafür sorgen, dass gefährliche Erdbeben ausbleiben, wie Forscher 2015 bei Untersuchungen an der Küste Chile herausfanden. Auch dort ist der Meeresboden von zahlreichen, teils mehrere tausend Meter hohen Seamounts bedeckt – und auch sie werden im Zuge einer Subduktion unter die Südamerikanische Platte geschoben.

„In den seismischen Daten können wir deutlich mehrere ehemalige Seamounts erkennen, die jetzt an der Grenzfläche zwischen beiden Platten liegen und die diese Grenzfläche sowie die darüber liegende Südamerikanische Platte deformieren“, erklärt Jacob Geersen vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.

Doch statt die Bewegung der Platten zu hemmen, wie in Neuseeland der Fall, sorgen die Seamounts durch diese Deformation hier dafür, dass die Subduktion reibungsloser verläuft und sich weniger Spannung aufbaut. „Außerdem haben die Seamounts die räumliche Ausbreitung des Bruchs, der bei dem Iquique-Beben im Frühjahr 2014 entstand, wahrscheinlich aufgehalten“, so Geersen.

Die Unterwasser-Berge scheinen demnach je nach Umgebung und lokalen Gegebenheiten mal Erdbeben zu fördern, und mal zu verhindern.

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Nadja Podbregar
Stand: 26.08.2016

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Seamounts
Geheimnisvolle Giganten der Tiefsee

Unterseeische Riesen
Was sind Seamounts?

Dynamische Vergangenheit
Wie entstehen Seamounts?

Bremser und Wellenmacher
Was Seamounts mit Erdbeben und Tsunamis zu tun haben

Geheime Verbindungen
Unterirdische Wasserströme verbinden die Seamounts

Oasen des Lebens
Seamounts als ökologische Hotspots der Tiefsee

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