19:00 Uhr ist es am Abend des 21. Mai 2015, als der Bordtechniker die externe Stromversorgung der Falcon anschaltet, um die Messgeräte auf 25 Grad Celsius Betriebstemperatur zu heizen. Die Laser der Wind-Lidar-Geräte müssen in einem sehr engen Frequenzbereich Licht aussenden, um Windfelder exakt zu erfassen. Ein Spektrometer, welches das zurückgestreute Licht von Luftmolekülen analysiert, muss sogar auf ein Hundertstel Grad Celsius stabilisiert werden.
Für die Wissenschaftler an Bord, die jetzt am Boden beginnen, ihre Detektoren, Sendegeräte und Analysetechniken zu kalibrieren, ist es ein besonderer Moment, vergleichbar mit der Aufbruchsstimmung in einem Basislager vor einer Gipfelbesteigung. Aus der Kabine hört man: „Das wird ein außergewöhnlicher Sunsetcruise heute Nacht!“
Plötzlicher Ausfall
Doch um 19:30 Uhr wird die Mannschaft von einem Systemausfall überrascht: Eines der Lidar-Instrumente macht Probleme. Genauer: Eine Kamera zum Justieren der empfindlichen Laser löst nicht mehr richtig aus. Ist das Problem noch kurzfristig zu beheben? Heute ist die einzige Nacht, die während der Islandmission den wolkenfreien Flug hinüber zum Gipfel Grönlands erlauben wird. Angespannt werden verschiedene Versuche unternommen, die Kamera wieder zum Laufen zu bringen.
Ein Wechselbad der Gefühle unter Zeitdruck: Die Systeme herunterfahren, bangen, wieder hochfahren, alle Funktionen testen und hoffen, dass es wieder läuft. Nach einer Stunde ist es tatsächlich geschafft: Die Lidar-Laser sind voll einsatzbereit für den Gipfelflug.
Gefangen im Hangar
21:00 Uhr öffnet sich langsam das Hangartor. Doch bei einem Spalt von zwei Metern bleibt es plötzlich stehen. Davor wartet schon der Tankwagen. Die Falcon aber ist von einem Moment auf den anderen Gefangene im Hangar und kann nicht mehr hinaus. Es gibt ein zweites Hangartor auf der Rückseite. Aber dorthin ist kein Durchkommen, seit vor wenigen Stunden von der isländischen Airline WOW-Air ein A320-Passagierjet zur Wartung hineingeschoben wurde.
Die Gipfelmannschaft ist geschockt. Wird es noch möglich sein, den Gipfel rechtzeitig vor der heranziehenden Bewölkung zu erreichen? Noch einmal wird versucht, das Hangartor zurück- und wieder vorzuschieben. Es ist auf die Schnelle nichts zu machen. Der Hangar bleibt verschlossen.
Kann die isländische Airline helfen?
Da hat jemand eine Idee: „Wir können nur versuchen, die isländische Airline zu erreichen und diese fragen, ob sie für uns ihre Linienmaschine noch einmal aus dem Hangar ziehen kann!“ Die Airline wird verständigt und ist zum Glück trotz der fortgeschrittenen Abendstunde bereit zu helfen. Allerdings wird ein massives Pushback-Fahrzeug benötigt. Das aber befindet sich bereits wieder im Einsatz bei den Passagierterminals am anderen Ende des internationalen Flughafens Keflavik.
Parallel zu diesen Bemühungen um eine Lösung wird ein Elektriker per Telefon aus dem Feierabend geholt. Er soll das defekte Tor wieder zum Laufen bringen. Ein Wettlauf beginnt. Wird das Pushback-Fahrzeug rechtzeitig eintreffen oder schafft es der Elektriker, schneller zurück auf dem Flughafen zu sein?
Endlich frei
21:20 Uhr trifft das Pushback-Fahrzeug tatsächlich zuerst am Hangar ein. Der A320 wird herausgeschoben und der Weg für die Falcon durch den Hinterausgang ist frei. Ganz überstanden ist die heikle Situation dennoch nicht. Die Falcon muss nun auf engstem Raum gewendet werden, ohne mit ihren Tragflächen das noch immer verschlossene vordere Hangartor zu streifen.
Vier sanfte Züge und Schübe mit der Schleppstange sind nötig, dann ist die Falcon endlich befreit. Der Tankwagenfahrer hat geduldig auf die verhinderte Falcon gewartet, sodass es jetzt sehr schnell gehen kann.
Falk Dambowsky, Oliver Reitebuch, Philipp Weber / DLR Magazin
Stand: 30.10.2015