Die Zentralafrikanische Republik mit ihren kaum fünf Millionen Einwohnern auf einer Fläche von der Größe Frankreichs ist bettelarm. 400 US-Dollar beträgt die jährliche Wirtschaftsleistung eines Einwohners, Korruption ist so allgegenwärtig wie Kinderarbeit, Kinderhandel und Hexenglaube, die Säuglingssterblichkeit liegt bei über zehn Prozent, über Hunderttausend Kinder sollen Aids-Waisen sein, und beim Human Development Index liegt das Land weltweit auf Rang 179. Holz und Diamanten sind die wichtigsten Exportgüter, die Industrie ist kaum entwickelt, Tourismus spielt kaum eine Rolle.
Fatale Folgen der Kolonialzeit
Auswärtige Mächte sind an dem Elend nicht ganz unbeteiligt. Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert zogen immer wieder arabische Sklavenjäger durch die Chinko-Gegend und entvölkerten sie regelrecht. Im 19. Jahrhundert drangen dann Franzosen in das Gebiet der heutigen Zentralafrikanischen Republik vor und reklamierten es für sich. 1889 gründeten sie eine Niederlassung bei Bangui, 1898 zerteilten sie die Kolonie und vergaben Konzessionen an Handelsgesellschaften. Die Einheimischen reagierten mit Aufständen gegen die Kolonialisierung und die Zwangsarbeit auf den Plantagen, die bis Ende der 1920er Jahre vorkam. Joseph Conrads Kolonialschauerroman „Herz der Finsternis“ hätte auch hier statt im Belgisch-Kongo spielen können.
1960 wurde die Z.A.R. unabhängig. Die weitere jüngere Geschichte ist eine einzige Abfolge von Wahlen, Putschen, Militärrevolten, Aufständen und Bürgerkrieg. 1976 horchte die Welt auf, als Putschpräsident Jean-Bédel Bokassa sich zum Kaiser ausrief und das Land zum „Zentralafrikanischen Kaiserreich“ erklärte. Die Krönung, deren Zeremonie 20 Millionen Dollar verschlang, nahm der zum Katholizismus übergetretene Bokassa I. gleich selbst vor, nachdem Papst Paul VI. dankend abgewunken hatte. Bis zu seinem Sturz 1979 regierte der bizarre Regent, der sich für den 13. Apostel Jesu hielt, despotisch wie Caligula und folterte persönlich mit. Frankreich sah in ihm lange einen treuen Vasall, Präsident Valéry Giscard d’Estaing war zeitweilig ein gerngesehener Jagdgast.
Jagd als Finanzspritze
Die Jagd ist und bleibt in der Z.A.R. eine der wenigen Konstanten. Unter prinzipienfesten Tierschützern dürften das CAWA-Camp und seine Kundschaft aber nur bedingt Begeisterung auslösen. Gejagt werden auch Arten, die in Afrika selten geworden sind oder ohnehin unter dem Druck der Wilderer stehen, vom Bongo angefangen bis zum Löwen. Was die Buschhatz kostet, verrät die Preisliste eines Kölner Jagdreisebüros. „Für Jäger mit Abenteuergeist“ ist die zweiwöchige „Büffel-Safari“ für 16.500 Euro zu haben, zwei gehörnte Kolosse inklusive. Jedes Extrawild hat seinen Preis: ein Bongo schlägt mit 3.500 Euro zu Buche, ein ordinäres Warzenschwein mit 450 Euro, ein Löwe darf für 5.000 Euro in die ewigen Jagdgründe befördert werden.
„Wir können Ihnen garantieren, dass Ihr Adrenalin-Spiegel sprunghaft steigt, wenn sich der Löwe nähert. Das ist eine Jagd für nervenstarke Jäger“, heißt es auf der Internetseite des Reisebüros. „Übliche Jagdart ist die Pirsch zu Fuß und das Ausgehen der Fährten.“ Darben müssen die nervenstarken Pirschgänger nicht. Nach Landung des Charterflugzeugs auf dem Airstrip ist an alles gedacht. Im gediegenen Savannen-Chalet wartet feinste Cuisine auf, mit täglich frischen „Pain au chocolat“, Holzofenpizza, Carpaccio vom Derby-Eland und gegrilltem Perlhuhn. Lunch wird im Busch serviert, und das Eis zum Nachtisch fliegt der Pilot gleich mit ein. Allerdings, warnt das Reisebüro, gelte es täglich bis zu zehn Kilometer durch den Busch zu laufen.
Jäger unter Mordverdacht
So viel Gastlichkeit ist Mararv und seinem Campverwalter und Buschpiloten Simpson selbst nicht widerfahren. Im März 2012 wurden die beiden und zehn weitere CAWA-Mitarbeiter von der Polizei eingebuchtet und unter Mordverdacht gestellt. Zuvor waren in der Nähe 13 Goldschürfer tot aufgefunden worden, die im CAWA-Jagdgebiet eine illegale Mine betrieben hatten. Simpson hatte mit seinen Männern die Leichen der von Macheten und Speeren zerfleischten Arbeiter entdeckt. Mit Mararv war er nach Bangui zur Polizei gefahren, um Fragen zu beantworten – und landete im Knast. Die CAWA-Männer saßen 162 Tage in einer überfüllten Zelle in Bangui ein, der erkrankte Mararv kürzer, ehe die Anklage fallen gelassen wurde.
Eine Freilassung gegen Bestechungsgeld hatten sie zuvor abgelehnt. Der Verdacht war auf sie gefallen, weil Mararvs Leute mit den Goldschürfern mehrfach aneinandergeraten waren. Die Goldwäscher aus der Region waren über die von CAWA angelegen Buschpisten zu entlegenen Flussläufen vorgedrungen, um dort zu schürfen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch vertrat später die Überzeugung, dass hinter den Morden Joseph Kony und seine berüchtigte ugandische Rebellenarmee, die Lord’s Resistance Army (LRA), stecken. Die LRA hatte die Umgebung zuvor schon unsicher gemacht.
Kai Althoetmar
Stand: 11.10.2013