Anthropogeographie

Die Mumie vom Feuerberg

Die Entdeckung der Inka-Mumie "Juanita"

1995 machten Bergsteiger auf dem Gipfel des 6.288 Meter hohen Gipfel des Vulkans Ampato in Peru einen grausige Entdeckung: Im Inneren des Gipfelkraters stießen sie auf ein noch halb im Eis eingeschlossenes Bündel. Bei näherer Untersuchung stellten sie fest, dass es sich um eine in eine Decke gewickelte Kinderleiche handelte.

Blick auf den schneebedeckten Gipfel des erloschenen Vulkans Ampato (hinten). Im Vordergrund der noch immer aktive Feuerberg Sabancaya. © USGS

Dem an der Expedition beteiligten US-Anthropologen Johan Reinhard war schnell klar, was er da vor sich hatte: Die bunte Decke und eine mit Federn besetzt Kappe deuteten darauf hin, dass es sich um ein mumifiziertes Inkamädchen handeln musste. Datierungen bestätigten dies: Die Tote stammt aus der Zeit zwischen 1450 und 1480 und damit aus der Herrschaftszeit des Inkakönigs Pachacutec von Cusco. Die Mumie wurde vermutlich beim Ausbruch eines Nachbarvulkans aus einem Inkaschrein losgerissen, der am Gipfel des Ampato liegt.

Tod durch einen stumpfen Gegenstand

Die Forscher transportierten ihren Fund ins Tal und brachten ihn unter ständiger Kühlung nach Arequipa in das Labor der dortigen Katholischen Universität. Denn diese Mumie war eine Besonderheit: Im Gegensatz zu den Funden aus der Chinchorro-Region war sie komplett durchgefroren und kaum ausgetrocknet. Ihre Gewebe und Organe, Haut, Blut und sogar der Mageninhalt waren daher über mehr als 500 Jahre hinweg fast vollständig erhalten.

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Analysen des Mageninhalts zeigten, dass Juanita, wie die Mumie getauft wurde, rund sechs bis acht Stunden vor ihren Tod noch eine Mahlzeit aus verschiedenen Gemüsen verzehrt hatte. Röntgenaufnahmen des Kopfes verrieten, dass das Inkamädchen nicht durch einen Unfall, sondern gewaltsam zu Tode kam: Verletzungen an der rechten Augenhöhle und ein rund fünf Zentimeter langer Bruch im Schädel deuten darauf hin, dass sie mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen wurde. Dieser Schlag löste eine starke Hirnblutung aus, die tödlich war.

Kinderopfer für die Götter

Für die Forscher war schnell klar, dass dieses Mädchen wahrscheinlich eines der Opfer des Capacocha-Rituals war. Vermutlich wurde auch sie einst als Kindertribut an die Herrscher ausgeliefert und dann in einem von rituellen Handlungen begleiteten Pilgerzug zum Schrein auf dem Gipfel des Ampato gebracht. Dort wurde sie dann durch einen Schlag auf den Kopf getötet und damit den Göttern geopfert.

Die Entdeckung dieser Eismumie vom Andengipfel sorgte für weltweites Aussehen. Denn sie war die erste, die in einem so gut erhaltenen, nicht ausgetrockneten Zustand gefunden wurde und gab damit einzigartige Einblicke in die Kultur der Inka und im speziellen ihre Rituale. Das Time Magazine kürte „Juanita“ 1995 als eine der zehn wichtigsten Entdeckungen des Jahres.

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Nadja Podbregar
Stand: 13.06.2014

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Das Rätsel der Andenmumien
Toten- und Opferrituale am Rande der Atacama

Die Chinchorro-Mumien
Verblüffend komplexe Bestattungstechniken bei einfachen Fischern

Abgeschaut vom Wüstenwind
Wie kamen die Chinchorro auf die Idee der Mumien?

Opfertod für Gott und Volk
Die Capacocha-Zeremonie der Inka

Die Mumie vom Feuerberg
Die Entdeckung der Inka-Mumie "Juanita"

Tod im Rausch
Das Rätsel der drei Kinder vom Llullaillaco

Erst verwöhnt, dann geopfert
Die letzten Monate vor dem Capacocha-Ritual

Make-Up für die Toten
Der Totenkult von Teotihuacan

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