Will man eine neue Perspektive auf das Feld seiner Untersuchungen gewinnen, dann ist es oft am besten, radikal den eigenen Ausgangspunkt zu verändern. Sprachwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik tun das, indem sie neue Primärdaten über wenig bekannte Sprachen sammeln. In der Abteilung “Sprache und Kognition” betreiben Wissenschaftler Langzeit-Feldforschung an mehr als zwanzig Standorten überall auf der Welt.
Im Laufe der letzten Jahre wurden mehrere detaillierte Untersuchungen zu Wörtern durchgeführt, die als Ideophone oder Lautbilder bekannt sind. Mit ihrer charakteristischen Lautmalerei, der Onomatopoesie, kommen diese Wörter dem „Malen beim Sprechen“ am nächsten. Sie galten lange als exotische und ungewöhnliche Wörter, aber neue Untersuchungen haben gezeigt, dass sie in Unterhaltungen überall auf der Welt gegenwärtig sind und in unerwarteter Art und Weise gebraucht werden.
Es klingt wie es ist
Ideophone sind Wörter, deren Klang auf ihre Bedeutung hinweist. Bekannte Beispiele aus dem Englischen sind Wörter wie kerplop und boom, oder im Deutschen Wörter wie holterdipolter und ticktack. Aber während es in europäischen Sprachen in aller Regel nur wenige solcher Wörter gibt, die meistens auf die Imitation von Geräuschen beschränkt sind, gibt es viele andere Sprachen auf der Welt, die über Hunderte oder gar Tausende solcher Ideophone verfügen, die ein weit größeres Spektrum an sinnlichen Bedeutungen abdecken.
Beispiele dafür sind Wörter wie tunjil-tunjil – dümpeln, treiben, ulakpulak – unausgeglichene, schreckerregende Erscheinung und c’onc’on – dichtgewebt aus dem Koreanischen; oder dhdnoh – wie immerwährendes Nicken, praduk pradek – Geräusche vereinzelter kleiner Regentropfen und greep – knusprig klingend aus dem Semai, einer Sprache, die auf der Halbinsel Malaysia gesprochen wird. Aber auch mukumuku – murmelnde Mundbewegungen, fuefue für elastisch, flexibel und kpotoro-kpotoro für Gehen wie eine Schildkröte aus dem Siwu, einer Sprache, die im Osten Ghanas gesprochen wird, illustrieren das Prinzip.
Dargestellt statt einfach nur gesprochen
Bei der Analyse von auf Video aufgenommenen Unterhaltungen in solchen Sprachen sieht man, dass diese Wörter mit ihren eigentümlichen Formen und anschaulichen Bedeutungen nicht wie gewöhnliche Wörter gesprochen werden. Sie werden wie auf einer Bühne dargestellt. Sie machen Ereignisse auf eine Art und Weise lebendig, wie das gewöhnliche Wörter niemals tun.
Wenn man ihren Gebrauch beobachtet, dann bekommt man einen Eindruck davon, was Karl Bühler gemeint hat, als er schrieb: “Wenn unter den Sachverständigen eine Abstimmung stattfände darüber, wer reicher ausgestattet sei mit Malmitteln: der Farbmaler oder ein Stimmaler, so gäbe ich unbedenklich dem zweiten meine Stimme.”
MPG Jahrbuch / Mark Dingemanse / Max-Planck-Institut für Psycholinguistik
Stand: 28.06.2013