Ohne Rückenwind aus der Politik werden Asiens verbliebene Populationen den Weg von Java-, Bali- und Kaspi-Tiger gehen. Alle Heimatstaaten des Tigers haben sich 2010 auf das Ziel eingeschworen, die Bestände bis 2022 zu verdoppeln. Wilderei und der Handel mit Tigerprodukten sind in allen 13 Ländern verboten. „Allerdings“, sagt Gramling, „mangelt es manchmal leider noch an der Umsetzung und der effektiven Strafverfolgung.“
Krieg um die letzten Großkatzen
Der Tiger braucht Schutz ohne Kompromisse. Systematische Patrouillen, eine gute und pünktliche Bezahlung der Wildhüter und ein beinharter Kampf gegen Korruption sind dabei das A und O. Vielerorts zählt die Wilderei zum Organisierten Verbrechen. Die Täter sind hochgerüstet mit Hightech – vom Hubschrauber bis zum Schnellfeuergewehr. Mit Kuscheljustiz und korrupten Beamten dürfte dem schwer beizukommen sein. Längst ist es eine Art Krieg, der in den entlegensten Winkeln Asiens um die 100.000-Dollar-Katzen tobt: Mensch gegen Mensch, auf der einen Seite Geld, Gier und Gedankenlosigkeit, auf der anderen das verzweifelte Bemühen, etwas zu retten, was einmal als das Symbol Asiens galt, das vielleicht größte Symbol für Wildnis, das die Naturgeschichte hervorgebracht hat.
Pro Wildlife verlangt, dass die Tiger-Staaten „noch mehr Schutzgebiete ausweisen und die Wildhüter im Kampf gegen Wilderei besser ausstatten“. China müsse gegen den Verkauf von Tigerprodukten strikt vorgehen, auch gegen Produkte aus Tigerfarmen. Diese Geschäfte, so Sandra Altherr, heizten die Nachfrage nach Tigerprodukten und damit die Wilderei frei lebender Tiger an. „Das deutsche Umweltministerium könnte China auffordern, den Handel mit Tigerprodukten innerhalb Chinas konsequent zu beenden“, sagt die Biologin. Der richtige Ort dafür sei der Ständige Ausschau des Artenschutzabkommens CITES. Der befasse sich einmal jährlich mit Vollzugsproblemen. Davon gibt es in China reichlich.
Fehlt es der Politik an Willen?
Der Amerikaner George Schaller, ein früher Pionier unter den Wildbiologen und mit bald 80 ein Elder Statesman des Artenschutzes, spricht der Politik den Willen zum Schutz der Großkatzen schlichtweg ab. „Nachhaltiger Artenschutz ist nichts anderes als Politik – und die aktuelle Politik ist verantwortlich für die Ausrottung der Großkatzen“, schreibt Schaller in einem Essay für „National Geographic“. „Selbst in den Reservaten wird gewildert und abgeholzt, wird gebaut und nach Mineralien geschürft“, kritisiert er. „Die meisten bestehenden Schutzgebiete sind zu klein, es können nur wenige Großkatzen darin leben – und diese Bestände sind stets in Gefahr, durch Inzucht, Seuchen oder unvorhergesehene Ereignisse rasch auszusterben.“
Mit dem Klimawandel würden sich die Lebensräume absehbar verschieben. Schaller: „Die Tiere müssen mitwandern, über die Grenzen der heutigen Schutzgebiete hinaus.“ Es brauche ein Mosaik aus Kernzonen ohne Siedlungen und Menschen. Die Strafen für Wilderer müssten abschreckend sein. „Jedes Land braucht eine Elitetruppe von Wildhütern, unterstützt von der Polizei oder sogar von der Armee“, fordert Schaller.
In Indiens Bundesstaat Maharashtra hat die Politik 2012 der Wilderermafia eine klare Ansage gemacht: Wildhüter, die in Schutzgebieten mutmaßliche Wilderer töten, werden nicht mehr bestraft.
Kai Althoetmar
Stand: 17.05.2013