Das Unglück der Columbia trifft die NASA bis ins Mark, für das Shuttle-Programm bedeutet es den Anfang vom Ende. Die Katastrophe und der Verlust von sieben Menschenleben sind schon schlimm genug. Doch das, was die 13-köpfige Columbia-Untersuchungskommission im Laufe ihrer monatelangen Analysen zutage fördert, ist geradezu verdammend. Ihr 2005 veröffentlichter Bericht listet auf knapp 250 Seiten eine scheinbar endlose Serie von Fehlentscheidungen, Kommunikationspannen und gravierenden Sicherheitsmängeln auf allen Ebenen des NASA-Managements.
Unmittelbare Ursache des Unglücks, das ist relativ schnell klar, war ein etwa 40 mal 60 Zentimeter großes Stück Polyurethanschaum. Dieses schaumstoffähnliche Material bedeckt die gesamte Außenhülle des externen Treibstofftanks des Space Shuttle und soll den ultrakalten Treibstoff im Tankinneren vor der Umgebungswärme und der Hitze der Triebwerke schützen. Doch das nur aufgesprühte Material ist nicht unproblematisch: Bei vielen vergangenen Shuttlestarts, das zeigen Videoauswertungen, hatten sich Teile dieser Isolationsschicht gelöst – ohne größere Folgen.
Treffer an der Achillesferse
Nicht so bei der Raumfähre Columbia. Denn das 81 Sekunden nach dem Start herabstürzende Polyurethanstück trifft eine der wenigen Stellen an der die Außenhaut des Shuttles, die extrem verwundbar sind: die Vorderkante des linken Flügels. Weil dort beim Eintritt in die Atmosphäre die extremste Hitze auftritt, ist die Kante mit U-förmigen RCC-Kacheln verstärkt. Diese aus Graphitfasern in einer Graphit-Siliziumcarbid-Masse bestehenden Panele halten selbst Temperaturen von mehr als 1.500°C stand. Aber sie sind extrem spröde.
Als am 16. Januar 2003 der Schaumstoff weit über 200 Kilometer pro Stunde auf Columbias linke Flügelkante prallte, riss er ein Loch in die Kachelschicht. Ohne es zu ahnen, flogen die Astronauten mit dieser Achillesferse in den Orbit. Videokameras hatten zwar den Absturz des Polyurethanstücks beim Start gefilmt, nicht aber, wo genau am Flügel es aufgeschlagen war. Da vergangene Ereignisse dieser Art stets folgenlos geblieben waren, wurde es als unwichtig abgehakt und ignoriert. Ohne es zu ahnen, waren die Astronauten an Bord der Columbia damit bereits dem Tod geweiht. Denn einmal in der Umlaufbahn, gab es keine Möglichkeit zur Reparatur.
Kein Vertrauen in „NASA-Kultur“
Für die Untersuchungskommission ist der Tod der Astronauten jedoch auch eine direkte Folge der „NASA-Kultur“. Viele Entscheidungen seien auf Basis ungenügender Informationen gefallen, kritische Anmerkungen und Warnungen nicht weitergegeben oder bewusst ignoriert worden. „Die NASA-Manager sind im Laufe des Shuttle-Programms allmählich immun gegenüber den Schaumstoffverlusten des externen Tanks geworden. Auf einer fundamentalen Ebene glaubten sie einfach nicht, dass der Treffer eines Schaumstoffstücks eine kritische Gefahr für das Space Shuttle darstellen könnte“, konstatiert der Bericht.
Nach Ansicht der Experten hat die NASA es versäumt, Lehren aus dem Challenger-Unglück zu ziehen. Damals angemahnte Veränderungen im Managementstil und Verbesserungen der Kommunikation seien ausgeblieben. Ihr Fazit war entsprechend eindeutig und harsch: „Basierend auf den Erfahrungen, dass die NASA externe Empfehlungen ignoriert und Verbesserungen im Laufe der Zeit schnell wieder einschlafen, hat dieses Gremium kein Vertrauen darin, dass das Space Shuttle mehr als noch ein paar Jahre sicher betrieben werden kann“, so die Kommission um Harold Gehman.
Ihr Urteil sollte sich als selbsterfüllende Prophezeiung erweisen: Am 8. Juli 2011, fast genau 30 Jahre nach dem ersten Start eines Space Shuttles in den Orbit, wird die Raumfähre Atlantis die Ära der fliegenden „Space Trucks“ endgültig beenden. Die neue Heimat der einst bejubelten Orbitaltransporter sind nun die Ausstellungshallen von Raumfahrtmuseen in den USA.
Nadja Podbregar
Stand: 07.07.2011