Astronomie/Kosmologie

Das große Fressen

Kannibalismus statt "Sphärenharmonie"

Als Eso-Astronomen im Mai 2001 meldeten, mit dem Very Large Telescope auf dem Mount Paranal deutliche Indizien dafür gefunden zu haben, dass eine fremde Sonne im Sternbild Wasserschlange ihre Planeten verschlungen hat, war dies nur ein weiterer, gut untermauerter Fall von stellarem Kannibalismus. Tatsächlich trügt das so friedvolle, ruhige Bild, dass der klare Sternenhimmel bietet. Keine Spur von Sphärenharmonie und Unveränderlichkeit.

Sternensystem © NASA/STScI

Je weiter Astronomen ins All und seine Prozesse vordringen, desto mehr enthüllen sie auch, welche Umwälzungen sich »dort draußen« abspielen – als Nikolaus Kopernikus sein Hauptwerk »Über die Umwälzungen der Himmelskörper« nannte, konnte er nicht ahnen, in welchem Maß er damit der Wirklichkeit gerecht wurde. In einer Welt, die im großen Skalenbereich von der schwächsten der vier fundamentalen Wechselwirkungen beherrscht wird, von der Schwerkraft, ist es allerdings auch kein Wunder, wenn allerorten Materie auf Materie prallt.

Doch die unzähligen Varianten dieses einfachen Prinzips zeugen wieder vom mächtigen »Einfalls«-Reichtum der Natur. Als die Materie kollabierte, aus der auch unser Sonnensystem entstand, bildeten sich die Planeten aus der Zusammenballung von zahlreichen kleineren Körpern. Ab einem Durchmesser von etwa 1.000 Kilometern begann ein regelrechter Gravitationssog, in dessen Folge die jungen Welten schnell heranwuchsen. Und so sind auch die Erde mit den anderen Großen Planeten das Resultat eines gravitativen »Einverleibens« weniger massiger Himmelsobjekte.

Einschlag von Shoemaker-Levy auf dem Jupiter © NASA/STScI

Noch heute geht jedes Jahr tonnenweise Material vornehmlich in Form von Mikrometeoriten auf unseren Planeten nieder, was über die Erdzeitalter hinweg betrachtet die Akkumulation einer bereits meterdicken Schicht um unseren gesamten Globus ergibt. Wenn wir die Vorgänge im All betrachten, zeigt sich schnell, dass wir im Grunde jeden Materieaustausch und jede Umsetzung als »Kannibalismus« betrachten könnten, der auf kleinster Ebene beginnt, zum Beispiel bei mikroskopischen Meteoriten, die wegen des so genannten Pointing-Robertson-Effektes relativ schnell auf Spiralbahnen in die Sonne stürzen, über Ereignisse auf planetarer Ebene – beispielsweise dem Sturz von Komet Shoemaker-Levy 9 in den Jupiter – bis hin zu Galaxienkannibalismus.

Shjoemaker-Levy © NASA/STScI

Insofern ist die Grenze, was als kosmischer »Kannibalismus« zu gelten hat, recht willkürlich. Niemand würde dabei auch die Parallelen zur Tierwelt überbeanspruchen wollen. In der Fachsprache bleibt es oft dabei, vor allem in der Welt von Galaxien und Sternen von Kannibalismus zu sprechen. Und hier tut sich wahrhaft Erstaunliches.

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Stand: 07.07.2001

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Kannibalen im Kosmos
Fressen und Gefressen werden im Weltall

Facts
Das Wichtigste in Kürze

Das große Fressen
Kannibalismus statt "Sphärenharmonie"

"Star-Strip" auf der Weltraum-Bühne
Dem Rätsel der blauen Sonnen auf der Spur

Eine alltägliche "Unart"...
Materieklau in Doppelsternsystemen

Wenn "Materiemonster" zuschlagen
Schwarze Löcher als Kannibalen

Centaurus A
Galaxie mit »Bauchbinde«

Galaxien als kosmischer Multimix
Antennengalaxie und "Stephans-Quintett"

Schwerkraft-Gerangel im galaktischen Maßstab
Neues über "Hickson 87"

»Hot Jupiters« statt »Hot Dogs«
Wenn Sterne ihre Planeten verschlingen

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