Um herauszufinden, wie Insekten „ihren“ Vortex am Flügel hielten, reichten die Versuche am lebenden Objekt nicht mehr aus. Die Bewegungen der Insekten waren zu schnell und das Ganze zu klein, um die Details genauer untersuchen zu können. Für Ellington war die Sache klar: Ein Modell musste her. Der Forscher konstruierte den „Flapper“, eine Robotermotte mit einer Flügelspannweite von gut einem Meter. Dieses Roboinsekt ließ er nun schön langsam Achten schlagen – ganze drei Sekunden brauchte das Modell für einen kompletten Schlag.
Und tatsächlich kam Ellington mit dieser Methode dem Geheimnis der Flügelwirbel auf die Spur: Im Gegensatz zur starren Flugzeugtragfläche erzeugte die Motte bei ihrem Flügelschlag einen starken Luftstrom von der Flügelinnen- zur Außenseite. Der Luftstrom entsteht, weil die Flügelspitzen beim Schlag der Bewegung des Restflügels immer etwas voraus sind. Sie produzieren dabei einen Unterdruck, der Luft von der Flügelinnenseite anzieht. Dieser schwächt zwar den Wirbel, macht ihn aber offenbar gleichzeitig stabiler und hält ihn so länger am Flügel fest.
Doch reicht diese Verzögerung schon aus, um so viel zusätzlichen Auftrieb zu erzeugen, dass auch die verhältnismäßig kurzen Flügel der Motte ihren dicken, schweren Körper in der Luft halten können? Im Prinzip schon, so jedenfalls Ellingtons Ansicht. Doch sein Kollege Michael Dickinson wollte es noch genauer wissen: Gab es vielleicht noch mehr „Tricks“, die die akrobatischen Flugkünste der Insekten ermöglichten?
Um dies herauszufinden konstruierte auch Dickinson ein Robotermodell, diesmal nach dem Vorbild einer Fruchtfliege. Die vier Flügel der Robofly schlagen jedoch nicht in einem Windkanal, sondern in einem Zwei-Tonnen-Tank mit Mineralöl. Sechs Motoren bewegten die 60-Zentimeter-Spannweite Flügel durch die zähe Flüssigkeit. In den Versuchen zeigte sich Erstaunliches: Besonders zu Beginn und am Ende jedes Flügelschlags maßen die Forscher starke Auftriebskräfte, die durch den Vortex allein nicht zu erklären waren.
Doch genaue Beobachtung lieferte schon bald die ersten Hinweise: Die „Peaks“ bildeten sich immer an den Umkehrpunkten der „Acht“, dort, wo sich der Flügel in Vorbereitung auf einen neuen Schlag drehte. Und diese Drehung, so fand Dickinson heraus, war der Schlüssel zum Fliegen: Dreht sich der Flügel schnell entgegen der Flugrichtung, wie es am Ende eine Schlages der Fall ist, erzeugt diese Drehung einen zusätzlichen Auftrieb. Zu Beginn eines neuen Schlages kehrt sich diese Bewegung um und verstärkt so die Wirkung des Abwärtsschlags.
Und noch einen Trick verriet Robofly dem Forscher: Bei jedem Schlag nutzen Insekten die Luftverwirbelungen aus, die vom vorherigen Flügelschlag übriggeblieben sind. Anstatt sie zu vermeiden, recyceln sie deren Energie und setzen sie in zusätzlichen Auf- und Vortrieb um.
Stand: 12.06.2001