Schon immer spielten Globalisierungsprozesse eine wichtige Rolle für das Raumverständnis und die Wahrnehmung der Welt – und dies schlug sich auch in Karten nieder. Ein Beispiel ist dafür ist die Mercator-Projektion als vielleicht bekannteste Kartendarstellung der Welt: Mercators Weltkarte und das zugrundeliegende mathematische Konzept, das die Schiffsnavigation auf den Weltmeeren erheblich vereinfachte, fielen in eine Zeit, in der große Teile der Erde noch unbekannt waren.
Mit seiner neuen Kartenprojektion – und weiteren Innovationen dieser Zeit – wurden die großen Entdeckungsreisen und die Eroberung von vormals aus europäischer Sicht unbekannter Territorien möglich. Dies steht sinnbildlich gleichzeitig für die Anfänge der Globalisierung. Mit der Entdeckung der Welt begann auch ihre zunehmend komplexere Beschreibung, die neue Darstellungsformen notwendig machte. Aus Humboldts Reisen entstand beispielsweise der Humboldt/Berghaus Atlas, der eines der frühen Beispiele für die Integration von analytischen Elementen und Graphen in Karten ist.
Karten als Hilfsmittel der Sozialwissenschaften
Der physischen Beschreibung der Welt folgte die soziale Beschreibung der Welt, also der Gesellschaften, die sich mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert erheblich stratifizierten und diversifizierten. Damit wurde es in den industrialisierenden Ländern zunehmend notwendig, Informationen und Daten über die Bevölkerung zu sammeln. Die ersten modernen Volkszählungen fallen in die Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Diese führten zur Entstehung der modernen Sozialwissenschaften und zur Entwicklung nahezu aller heute gängigen statistischen Methoden.
Dies beeinflusste auch die Kartografie: So dienten Karten nicht länger nur der reinen Darstellung der physischen Realität, sondern auch der Darstellung sozioökonomischer Daten. Das 19. Jahrhundert wird daher vielfach als das goldene Zeitalter der Statistik und Visualisierung gesehen. Viele der damals entstandenen Innovationen sind bis heute relevant. Während die gesellschaftlichen Veränderungen an die radikalen Umbrüche vom Übergang zur Industriegesellschaft im 18. und 19. Jahrhundert erinnern, so haben sich unsere Methoden, diese Veränderungen in visueller Form darzustellen, kaum verändert.
Benjamin Hennig
Stand: 23.11.2012