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Bestätigt wurde dieser epigenetische Effekt der Ernährung unter anderem im September 2012 bei Versuchen mit Ratten. Erhielten Rattenweibchen während ihrer Schwangerschaft fettreiche Kost, erhöhte sich das Brustkrebsrisiko ihrer Töchter und Enkeltöchter um 55 bis 60 Prozent – obwohl sich diese ihrerseits völlig normal ernährten. Einen ähnlichen Effekt fanden die Wissenschaftler bei Östrogenpräparaten, wie sie gegen Schwangerschaftskomplikationen verabreicht werden: Bekamen Rattenweibchen in der letzten Schwangerschaftswoche zusätzliche Östrogene, reagierten sogar noch ihre Urenkelinnen 50 Prozent anfälliger gegenüber krebsauslösenden Substanzen.
Den Grund dafür machten die US -amerikanischen Forscher nicht im, sondern am Erbgut aus: Bei den Nachkommen der fettreich ernährten oder mit Östrogenen behandelten Rattenweibchen stellten sie zahlreiche Veränderungen in der DNA-Methylierung fest. An insgesamt 214 Stellen im Erbgut trugen die Töchter, Enkelinnen und Urenkelinnen zusätzliche Anlagerungen, an 161 anderen fehlten normalerweise vorhandene Genblockaden. Diese Veränderungen führten unter anderem dazu, dass das Brustgewebe dieser Tiere sensibler gegenüber krebsauslösenden Substanzen reagierte.
Mehr Diabetes beim Enkel
Mittlerweile hat man festgestellt, dass auch beim Menschen die Ernährung deutliche Spuren am Epigenom hinterlassen kann. Marcus Pembrey, Genetiker am Institute of Child Health in London, untersuchte dafür gemeinsam mit seinem schwedischen Kollegen Lars Olov Bygren Aufzeichnungen über Ernte-Erträge, Lebensmittelpreise und Sterbefälle aus der schwedischen Kleinstadt Överkalix. Die Aufzeichnungen reichten bis zum Jahr 1890 zurück. Dabei stellte sich heraus, dass die Enkel von Männern, deren Kindheit in eine Zeit mit guter Versorgung fiel, in späteren Lebensjahren mit größerer Wahrscheinlichkeit Diabetes entwickelten. Die weiblichen Nachkommen derselben Generation dagegen blieben verschont. Stattdessen waren sie betroffen, wenn sich die Großmütter väterlicherseits überreich ernährt hatten. In diesem Fall lebten dann nur die Enkelsöhne ohne Diabetes-Risiko.
Pembrey vermutete, dass die Nahrungsfülle in der Kindheit epigenetische Spuren auf den Geschlechtschromosomen X und Y hinterlassen hatte. Wie weitere Analysen zeigten, hängen die Auswirkungen in den Folgegenerationen tatsächlich davon ab, wann Großväter und -mütter in ihrem Leben reichlich zu essen hatten. Die Großmütter der Frauen mit Diabetes erlebten die üppigen Zeiten im Uterus der eigenen Mutter oder als Kinder – genau in der Phase, in der sich die Keimzellen in den Eierstöcken entwickeln. Bei Männern dagegen fiel die kritische Spanne in das Ende der Jugendjahre – die entscheidende Zeit für die spätere Spermienbildung.
Edda Schlager
Stand: 26.02.2013