Sie machen wach, fokussiert oder stärken das Gedächtnis – aber wie? Für klassische Aufputsch-Drogen wie Amphetamine oder Kokain ist der Wirkmechanismus bekannt: Beide erhöhen die Konzentration anregender Botenstoffe wie Dopamin, Noradrenalin und Serotonin in den Synapsen des Gehirns. Dort, im Spalt zwischen den einzelnen Gehirnzellen, docken die Neurotransmitter an Rezeptoren auf den Zelloberflächen an. Diese Bindung löst wiederum elektrische Nervenreize aus, die den Körper in einen erhöhten Aktivitätszustand versetzen – den gleichen Effekt hat extreme Angst oder Wut.
Dieser Ausnahmezustand hemmt Signale der körperlichen Erschöpfung oder Müdigkeit, auch Hunger, Durst und andere lebenswichtige Funktionen werden unterdrückt. Biologisch gesehen ist dies durchaus sinnvoll und unter Umständen sogar lebensrettend, denn sämtliche Ressourcen sind dadurch für Muskeln und Gehirn, für Flucht oder Angriff, mobilisiert. Begleitend zu dieser Mobilisierung steigert sich auch die Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit, die gesamte Aufmerksamkeit kann so auf die Bedrohung und den potenziellen Ausweg aus der Situation gerichtet werden.
Ritalin und Adderall: Ausnahmezustand als Norm
In der Natur hält diese Übersteuerung aller Ressourcen nur wenige Minuten an, danach werden die überschüssigen Neurotransmitter von den Zellen aufgenommen und die Reizüberflutung durch die Rezeptoren lässt nach. Nicht so bei Aufputschmitteln und gängigen Neuro-Enhancern wie Ritalin oder Adderall. Sie halten die Konzentration der Botenstoffe und damit auch den Ausnahmezustand künstlich aufrecht – über Stunden oder länger. ADHS-Patienten hilft dies, weil nach gängiger Lehrmeinung die Anzahl der „Entsorgungskanäle“ für Dopamin und Co. in ihren Synapsen genetisch bedingt höher ist als normal. Dadurch versiegt der Botenstoffnachschub in ihrem Gehirn zu schnell, die Folge sind die Aufmerksamkeitsstörungen.
Ritalin verhindert dies, indem es eine Wiederaufnahme der Neurotransmitter in die Gehirnzellen verhindert. Amphetamine wie Adderall fördern dagegen aktiv die Ausschüttung zusätzlicher Botenstoffmoleküle. Im Gegensatz zu klassischen Amphetamin-Drogen wie Speed erzeugen Ritalin und Adderall wegen ihrer niedrigeren Dosierung und einer Formulierung, bei der der Wirkstoff verzögert freigesetzt wird, jedoch kein euphorisches „High“. Ihre Wirkung entfaltet sich gedämpfter und dafür langanhaltender.
Donepezil: Transmitter-Nachschub gegen Alzheimer
An einem anderen Hirnbotenstoff setzt dagegen das Alzheimermedikament Donepezil an: Es hemmt das Enzym Acetylcholinesterase und verhindert damit, dass der Neurotransmitter Acetylcholin im Synapsenspalt abgebaut wird. Die Konzentration dieses für Gedächtnis und Lernen wichtigen Stoffs wird so künstlich erhöht. Hilfreich ist dies für Alzheimerpatienten deshalb, weil in ihrem Gehirn ein krankhafter Mangel an Acetylcholin herrscht.
Eine Metastudie der Cochrane Collaboration im Jahr 2009 stellte tatsächlich leicht positive Effekte auf die kognitiven Leistungen, das Verhalten und das Funktionieren im Alltag bei Alzheimerpatienten verschiedener Demenzgrade fest. Ob allerdings der Transmitter-Überschuss auch bei Gesunden eine Leistungssteigerung bewirken kann, ist bisher noch umstritten. In einer Studie verbesserte sich bei Piloten im Flugsimulator die Leistung, in einer anderen an 30 gesunden jungen Männern erhöhte sich unter dem Alzheimermittel das verbale und visuelle Gedächtnis.
Modafinil: Doch Eingriff in Belohnungsschaltkreise
Wie das als „Vigil“ in Deutschland vermarktete Modafinil genau wirkt, ist dagegen bisher unklar. Es lagert sich vermutlich an Rezeptoren für Adrenalin und Noradrenalin an und verstärkt dadurch deren stimulierende Wirkung. Dopamin ist dabei nicht im Spiel – so dachte man jedenfalls bis vor kurzem. Doch im März 2009 widerlegten dies amerikanische Forscher in einer Studie an gesunden Freiwilligen, die 200 oder 400 Milligramm Modafinil erhielten – beides Dosierungen, wie sie für Narkolepsie und ADHS verschrieben werden. Mit Hilfe der Positronen-Emissions-Tomografie analysierten die Wissenschaftler dabei die Effekte des Wirkstoffs auf die Dopamin-Transporter im Gehirn.
„Wie Kokain und Methylphenidat blockiert Modafinil Dopamintransporter und erhöht damit die Dopaminkonzentration im Gehirn“, erklärt Joanna Fowler vom Brookhaven National Laboratory das Ergebnis. Damit beeinflusst es wie Kokain und Amphetamine die klassischen Belohnungsschaltkreise des Gehirns und besitzt entgegen bisherigen Annahmen durchaus auch Suchtpotenzial.
Nadja Podbregar
Stand: 17.06.2011