Der Einsatz eines Telenotarztes als zusätzlicher Bestandteil des Rettungsdienstes kann die notärztliche Versorgung deutlich verbessern. Dieses Fazit ziehen Experten im Rahmen des von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI) ausgerichteten Deutschen Anästhesie-congresses (DAC), der vom 8. bis zum 10. Mai 2014 in Leipzig stattfindet. Häufig treffen Rettungsassistenten vor dem Notarzt beim Patienten ein. Wenn sie schon bei ihrer Ankunft den Rat eines Telenotarztes hinzuziehen, können sie die Behandlung früher einleiten.
Zudem ermöglicht diese ergänzende notärztliche Versorgung einen gezielteren Einsatz der konventionell vor Ort tätigen Notärzte. Das erhöht ihre Verfügbarkeit und sichert eine flächendeckende Versorgung.
„Die hohe Qualität unserer medizinischen Versorgung muss auch in Zukunft gerade im ländlichen Raum gesichert werden. Dabei spielt die Entwicklung der Telemedizin im Übrigen eine zentrale Rolle.“ Der Auszug einer Regierungserklärung der Bundeskanzlerin Angela Merkel legt den hohen Stellenwert der Telemedizin dar. Auch im Rettungsdienst bringt diese Vorteile: „Die Einbindung eines Telenotarztes ermöglicht eine schnellere und bessere Versorgung der Patienten am Einsatzort“, erklärt Professor Dr. med. Rolf Rossaint, Kongresspräsident des DAC und Direktor der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Aachen. Auch der DGAI-Präsident Professor Dr. med. Christian Werner würdigt das neue Rettungssystem: „Die Weiterentwicklung des Kompetenzbereichs Notfallmedizin gemäß den veränderten Rahmenbedingungen ist ein wichtiges Ziel unserer Fachgesellschaft.“
Hohe Patientensicherheit bei Behandlung durch Telenotarzt
Ein speziell geschulter Telenotarzt gibt dem Rettungsdienstpersonal von der Leitstelle aus über eine Live-Schaltung Hilfestellung. Dieses bundesweit einzigartige System wurde im April dieses Jahres in der Stadt Aachen eingeführt. Grundlage dafür waren die Forschungsprojekte „Med-on-@ix“ und „TemRas“ (telemedizinisches Rettungsassistenzsystem), die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie bzw. vom Land Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Union gefördert wurden.
„Die Projekte haben gezeigt, dass die Patientensicherheit sogar gesteigert werden kann, wenn der Notarzt über die Telekonsultation einbezogen wird“, berichtet Dr. med. Jörg Brokmann, Leiter der Notaufnahme am Universitätsklinikum Aachen im Rahmen seines Vortrages auf dem DAC. Die Anamnese- und Therapievorschläge des telemedizinischen Systems beruhen auf allgemeingültigen Leitlinien. Den Experten zufolge könne somit offenbar eine bessere Versorgungsqualität bei bestimmten Krankheiten, wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder auch bei der akuten Schmerztherapie von Notfallpatienten, erreicht werden .
Forschungsergebnisse belegen Vorteile des neuen Rettungssystems
Wie das Forschungsprojekt „TemRas“ verdeutlichte, war die Unterstützung eines Telenotarztes alleine in 280 von insgesamt 401 ausgewerteten Einsätzen ausreichend [5]. Andererseits hat der Telenotarzt in 34 Fällen die Notwendigkeit eines Notarztes am Einsatzort erkannt und diesen nachalarmiert. Bei 32 Einsätzen ist ein Notarzt von vornherein parallel ausgerückt . Doch die früher eingetroffenen Rettungsassistenten benötigten sofort ärztliche Beratung, die in der Zwischenzeit über den Telenotarzt erfolgte. In 52 Fällen konnte der Notarzt durch den Telenotarzt abgelöst werden. Er übernahm die weitere Behandlung sowie die Transportbegleitung, so dass der Notarzt für andere lebensbedrohlichere Einsätze wieder einsatzbereit war. Dafür werden die Vitalparameter des Patienten nach dessen Einwilligung an die Leitstelle übermittelt. Auch eine Video-Übertragung ist möglich. Schon während des Einsatzes kann der Telenotarzt weitere Informationen einholen, zum Beispiel bei medizinischen Datenbanken oder Ansprechpartnern in Kliniken und Praxen. Zudem wird eine direkte Anschlussbehandlung in der Klinik ermöglicht, indem der Telenotarzt die Einlieferung des Patienten vorab ankündigt.
Effektive Patientenversorgung auch bei steigenden Einsatzzahlen
„Durch den zielgerichteten Einsatz sind mehr Notärzte verfügbar“, betont Rossaint. Er weist darauf hin, dass sie „dadurch in erster Linie Patienten in lebensbedrohlichen Situationen versorgen können.“ „Versorgungslücken in der medizinischen Rettungskette können so minimiert werden“, ergänzt Brokmann. Vor dem Hintergrund steigender Einsatzzahlen bei zunehmendem Notarztmangel sei dies wichtig. Von 2008 bis 2012 sind die Rettungseinsätze allein in Aachen um über 3.000 Fälle auf knapp 25.000 pro Jahr gestiegen. Bei etwa einem Drittel wird derzeit ein Notarzt einbezogen. Laut Rossaint ist jedoch nicht bei jedem Notfall ein Notarzt vor Ort erforderlich: „Nur in etwa 20 Prozent der Notarzteinsätze werden die manuellen Fähigkeiten eines Notarztes benötigt.“ „Keinesfalls ist es das Ziel, das Netz an Notarzt-Standorten zu reduzieren“, versichert er. Allerdings solle sich der Einsatz der Notärzte beim Patienten auf Notfälle mit einer potentiellen Lebensgefahr beschränken. „Durch die Telekonsultation kann die Patientenversorgung optimiert und frühzeitig ärztlich überwacht werden“, so seine Einschätzung. Laut Rossaint ist eine Ausweitung des Systems auf andere Regionen durchaus denkbar.
(Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, 07.05.2014 – KSA)