Das Delta der Lena an der Küste der Laptev-See in Nord-Sibirien ist eine Oase für das Leben in der arktischen Tundra: Jeden Sommer verwandelt sich hier die gefrorene Einöde in ein fruchtbares Feuchtgebiet und bietet reiche Nahrung für Pflanzen und Tiere. Zugvögel nutzen es als Brutgebiet und viele seltene Fische und Meerestiere halten sich hier auf.
Das Delta liegt am Ende des 4.400 Kilometer langen Weges der Lena, einem der längsten Flüsse der Welt. Die heute mehr als 32.000 Quadratkilometer bedeckende, komplexe Landschaft ist das Ergebnis einer Tausende von Jahren dauernden Entwicklung. Schon im vor 1,6 Millionen Jahren begonnen und vor 10.000 Jahren endenden Eiszeitalter, Pleistozän, bildete sich hier eine Schwemmebene, deren Reste noch heute erhalten sind. Das Delta in seiner heutigen Form entstand nach der letzten Eiszeit vor rund 7.000 Jahren.
In dieser Aufnahme des hochauflösenden Spektrometers an Bord des Proba-Mikrosatelliten der ESA vom 5. Juli 2005 lassen sich verschiedene geomorphologische Niveaus erkennen. Die höchsten, dunkelgrün gefärbten Terrassen im Bild sind von typischer Eisrand-Tundra geprägt. Die zahlreichen Tümpel und kleinen Seen liegen inmitten von Permafrostablagerungen, die durch den Strom in das Delta transportiert wurden. Heller grün erscheinen spätere Ablagerungen, weiß die frischen Sandbänke.
Im unteren rechten Bildbereich ist ein Rest von Eis auf einigen Sandbänken zu erkennen, der von der rund zwei Wochen zuvor abgeschlossenen Frühjahrsschmelze übrig geblieben ist. Rund 14 Prozent des weltweiten Kohlenstoffs ist in Permafrostböden und im Sediment gespeichert. Angesichts der aktuellen Klimaentwicklung ist daher das Interesse von Forschern an der Rolle der Tundraregionen besonders groß. Tundren-Feuchtgebiete wie das Lena-Delta haben einen großen Anteil am globalen Kohlenstoffkreislauf und gelten als sehr anfällig für Klimaveränderungen.
In den letzten Jahren haben daher russische und deutsche Wissenschaftler intensive biologische, ökologische, bodenkundliche und Paläoklimatologische Studien im Lena-Delta durchgeführt. Das Alfred Wegener Institut für Polar- und Meeresforschung hat gemeinsam mit dem russischen Lena-Delta-Schutz eine ökologische Station auf der Samoylov-Insel, hier im Bildzentrum zu sehen, errichtet. Zur Zeit wird geprüft, ob diese Station eine permanente Einrichtung werden soll.