Chemie

Gold schmilzt bei Raumtemperatur

Forscher beobachten völlig neues Phänomen beim Edelmetall

In einem starken elektrischen Feld schmilzt die Spitze dieses Goldkegels - bei Raumtemperatur. © Alexander Ericson

Überraschende Entdeckung: Forschern ist es erstmals gelungen, Gold bei Raumtemperatur zu schmelzen – durch ein intensives elektrisches Feld. Das vormals geordnete Atomgitter an der Spitze der winzige Goldprobe verlor dabei seine Ordnung und machte damit einen Phasenübergang durch. Diese Schmelze im Atommaßstab ist reversibel und könnte ganz neue Anwendungen ermöglichen, wie die Wissenschaftler betonen.

Gold gilt nicht nur als edelstes aller Metall, es ist auch chemisch-physikalisch etwas Besonderes. Denn es verweigert fast alle chemischen Reaktionen, zeigt auch nach Jahrtausenden noch seinen einzigartigen Glanz und hat seinen Ursprung in gewaltigen kosmischen Katastrophen. Wie die irdischen Goldlagerstätten entstanden, ist zudem nur in Teilen geklärt.

Geschmolzene Spitze

Jetzt haben Forscher um Ludvig de Knoop von der Technischen Hochschule Chalmers in Schweden eine weitere Besonderheit des Goldes entdeckt – fast durch Zufall. Denn eigentlich wollten die Wissenschaftler nur beobachten was passiert, wenn man eine kleine, spitzkegelige Goldprobe im Elektronenmikroskop unterschiedlich starken elektrischen Feldern aussetzt. Dafür erhöhten sie schrittweise die Feldstärke bis auf extrem hohe Werte.

Das überraschende Ergebnis: Die Goldschichten an der Spitze der Probe begannen zu schmelzen. Die Atome verloren ihre geordnete Struktur und lösten ihre Verbindungen untereinander. „Ich war von dieser Entdeckung völlig überrascht“, sagt de Knoop. „Das ist ein außergewöhnliches Phänomen und es gibt uns einen ganz neuen Einblick in das Verhalten von Gold.“ Es sei das erste Mal, dass ein solches Schmelzen bei Raumtemperatur bei Gold beobachtet worden ist.

Gelöste Verbindungen

Doch was steckt dahinter? Mithilfe von molekulardynamischen Computermodellen versuchten die Forscher, das merkwürdige Geschehen nachzuvollziehen. Diese legten nahe, dass es sich um einen sogenannten niederdimensionalen Phasenübergang handeln muss. Die vom elektrischen Feld angeregten Goldatome wechseln dabei ihren Aggregatzustand – die oberste Atomschicht der Probenspitze verliert ihre Verbindung zu ihren Nachbarn.

„Die Simulationen enthüllen, dass der Mechanismus hinter dieser strukturellen Änderung darauf zurückgeführt werden kann, dass die Energiekosten für Oberflächendefekte in starken elektrischen Feldern verschwinden“, erklären de Knoop und seine Kollegen. Einfacher ausgedrückt: Für die Goldatome ist es unter diesen Bedingungen günstiger, ihre geordnete Gitterformation aufzugeben und zur ungeordneten Schmelze zu werden.

Ganz neue Anwendungen

Diese verblüffende und reversible Reaktion des Goldes auf elektrische Felder ist nicht nur ungewöhnlich, sie könnte ganz neue praktische Anwendungen ermöglichen. „Das könnte in verschiedenen Arten von Sensoren, Katalysatoren und Transistoren eingesetzt werden“, sagt Koautorin Eva Olsson von der TU Chalmers. Aber auch in der Nanotechnologie und Nanophotonik könnte dieser lokalisierte und kontrollierte Phasenübergang des Goldes nützlich sein.

Zuvor allerdings wollen die Wissenschaftler erst einmal genauer ergründen, was genau auf der Atomebene im Gold vor sich geht – und ob ihre Simulationen das Geschehen korrekt wiedergeben. (Physical Review Materials, 2018; doi: 10.1103/PhysRevMaterials.2.085006)

(Chalmers University of Technology, 21.11.2018 – NPO)

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