Evolution

Urzeitliche Parasiten-Wespen entdeckt

Röntgenblick in Millionen Jahre alte Fliegenpuppen offenbart versteckte Schmarotzer

Wespe in Fliegenpuppe: Der Parasitismus ist auch unter modernen Wespenarten weit verbreitet. © Georg Oleschinski/ Thomas van de Kamp

Verborgene Schmarotzer: Forscher haben erstmals fossile Wespen-Parasiten in ihren Wirten nachgewiesen. In 30 bis 40 Millionen Jahre alten Fliegenpuppen stießen sie auf insgesamt vier bisher unbekannte, parasitär lebende Wespenarten. Die Insekten hatten sich im Inneren der Puppen entwickelt und standen offenbar kurz vor dem Schlupf. Damit ist nun klar, dass Wespen bereits seit Millionen von Jahren andere Insekten befallen.

Die Strategie, auf Kosten eines anderen Organismus zu leben, hat sich im Laufe der Evolution als sehr erfolgreich erwiesen. Der sogenannte Parasitismus ist heute auf der ganzen Welt weit verbreitet: Rund 50 Prozent aller Tierarten gelten als Schmarotzer – Wesen, die an oder in einem Wirt leben und sich von diesem ernähren. Auch viele moderne Wespen pflegen diese Lebensform.

Doch wann entwickelten sich die ersten parasitär lebenden Insekten dieser Gruppe? Fossilienfunde konnten darauf bisher keine Antwort liefern. Zwar glaubte der Schweizer Zoologe Eduard Handschin bereits in den 1940er Jahren, in einem Dünnschliff einer 30 bis 40 Millionen Jahre alten Fliegenpuppe den Umriss einer parasitischen Wespe entdeckt zu haben. Eindeutig belegen ließ sich dies aber nicht – bis jetzt.

Fliegenpuppen im Röntgenblick

Wissenschaftler um Thomas van de Kamp vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben die Handschin ins Auge gefallene Fliegenpuppe und mehr als 1.500 weitere Fossilien aus Frankreich nun genauer unter die Lupe genommen: mithilfe der Synchrotron-Röntgen-Mikrotomographie. Diese Bildgebungsmethode ermöglicht es, innere Strukturen eines Objekts hochaufgelöst sichtbar zu machen.

„Erst die jüngsten Entwicklungen haben es uns erlaubt, sehr große Probenmengen in relativ kurzer Zeit zu durchleuchten und teilautomatisiert auszuwerten“, erklärt van de Kamp. „Nur so war es uns möglich, wirklich jede einzelne Puppe der umfangreichen Sammlung auf Parasitenbefall zu untersuchen.“

Nur von außen unscheinbar: Röntgenblick in fossile Fliegenpuppen© Nature/ CC-by sa 4.0

Verborgene Mitbewohner

Das Ergebnis: In 55 der nur rund drei Millimeter langen Fliegenpuppen befand sich tatsächlich ein Parasit. Insgesamt wiesen die Forscher in den Fossilien Wespen von vier bisher unbekannten, ausgestorbenen Arten nach. Die neu beschriebenen Spezies – Xenomorphia resurrecta, X. handschini, Coptera anka und Palaeortona quercyensis – entwickelten sich demnach alle als solitäre Parasiten im Inneren ihres Wirts.

„Die weibliche Wespe hat mit ihrem Legestachel ein Ei in eine Fliegenpuppe gelegt. Im Inneren der Puppenhülle hat sich die Wespenlarve entwickelt und von der ungeschlüpften Fliege ernährt“, erläutert Mitautor Lars Krogmann vom Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart. „Die meisten der Wespen standen kurz vor dem Schlupf. Einige haben sich in der Puppenhülle bereits bewegt und offenbar nur noch darauf gewartet, dass ihre Artgenossen sich ebenfalls zum Schlupf bereitmachen. Das ist ein bemerkenswerter Hinweis auf einen synchronisierten Schlupf“, sagt der Wespenspezialist.

Erster definitiver Beweis

Damit hat das Forscherteam erstmals definitiv fossile Parasiten-Wespen in ihren Wirten nachgewiesen. Es ist nun klar: Wespen hatten bereits vor 30 Millionen Jahren parasitische Lebensweisen entwickelt. „Unsere Daten liefern damit neue Erkenntnisse zur Evolution dieser erfolgreichen Tiergruppe“, sagt Krogmann. (Nature Communications, 2018; doi: 10.1038/s41467-018-05654-y)

(Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart/ Karlsruher Institut für Technologie/ Nature Press, 29.08.2018 – DAL)

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