Parasiten galten lange als niedere Lebewesen, die alleine nicht überleben können und deshalb auf die Hilfe anderer Organismen angewiesen sind. In Wahrheit aber ist der Parasitismus ein evolutionäres Erfolgsmodell. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass mindestens die Hälfte aller Lebewesen auf der Erde Parasiten sind – und sprechen ihnen eine herausragende Rolle im Spiel des Lebens zu.
Neue Abwehrstrategien
Denn Parasiten sind nicht nur selbst dem Selektionsdruck der Evolution ausgesetzt und haben sich im Laufe der Zeit daher immer besser an ihre Wirte angepasst. Sie wirken auch selbst als Triebfeder der Evolution. Indem sie ihre Wirtstiere unter Druck setzen, zwingen sie diese zur Entwicklung immer neuer Abwehrstrategien.
So haben Schaben gelernt, sich mit Karatetricks gegen den tödlichen Angriff der Juwelwespe zu wehren. Rossameisen meiden den Boden, um nicht zu Zombies zu werden und auch die Eichenschrecken bekämpfen den manipulativen Wurm in ihrem Körper: Die Aktivität bestimmter Proteine zeigt, dass sich das Nervensystem der Insekten aktiv gegen den fremden Eindringling wehrt – dieser allerdings hat inzwischen seinerseits Strategien gegen widerstrebende Nervenzellen entwickelt.
Ständiges Wettrüsten
Durch dieses ständige Wettrüsten der beiden Gegenspieler und die daraus hervorgehenden Anpassungen haben Parasiten den Lauf der Evolution massiv beeinflusst und zum Entstehen immer neuer Arten auf der Erde beigetragen, sind Experten überzeugt.
Sogar das Erbgut des Menschen trägt Spuren dieses Einflusses. So besitzen Menschen in heutigen oder früheren Verbreitungsgebieten des Toxoplasma-Verwandten Malaria vermehrt eine heterozygote, also nicht voll ausgeprägte, Veranlagung zur Sichelzellanämie. Genau diese Besonderheit in ihrem Genom macht sie resistent gegen den Erreger. Parasiten sind demnach nicht nur fiese Schmarotzer, gegen die sich die Opfer nicht wehren können. Vielmehr fordern sie ihre Wirte immer wieder zu kreativer Anpassung heraus.