Psychologie

Echokammer: Doch nicht so polarisierend?

Kollektive Intelligenz greift auch innerhalb politisch homogener Gruppen

Schirmen uns soziale Netzwerke von unliebsamen Ansichten ab? © iStock.com

Überraschendes Ergebnis: Der berüchtigte Echokammer-Effekt der sozialen Netzwerke wirkt womöglich weniger stark als gedacht. Denn ein Experiment zeigt: Selbst der Austausch innerhalb einer politisch homogenen Gruppe kann dazu führen, dass Einzelpersonen ihre Meinung sinnvoll korrigieren und die Polarisierung nachlässt anstatt sich zu verstärken. Auch in Echokammern greifen demnach die Vorteile der Schwarmintelligenz, wie die Forscher berichten – zumindest unter bestimmten Bedingungen.

Soziale Netzwerke wie Facebook verändern nicht nur unsere Kommunikation, sie beeinflussen auch unsere Weltsicht. Denn: Die ausgeklügelten Algorithmen der Netze zeigen jene Posts und Nachrichten zuerst, die unseren Vorlieben entsprechen – und verstärken damit unsere bestehenden Meinungen. Dieser Effekt der Filterblase oder Echokammer wirkt so einer objektiven Information entgegen und sorgt dafür, dass sich Gerüchte und Fake-News schnell verbreiten.

Auf diese Weise tragen Facebook, Twitter und Co der gängigen Annahme nach zur politischen Polarisierung bei. „Der soziale Einfluss innerhalb eines politisch homogenen Netzwerks führt dazu, dass sich bestehende Vorurteile verstärken und die Gruppe in ihren Ansichten immer extremer wird“, erklärt Joshua Becker von der University of Pennsylvania in Philadelphia.

Demokraten und Republikaner

So zumindest die Theorie – doch sind Filterblasen wirklich so schlecht wie ihr Ruf? Um dies herauszufinden, haben Becker und seine Kollegen nun ein Experiment mit 2.240 Probanden unterschiedlicher politischer Gesinnung durchgeführt. Die US-amerikanischen Studienteilnehmer standen entweder den Republikanern oder den Demokraten nahe und sollten im Test eine Reihe von auf Fakten bezogene Fragen beantworten.

Dabei konfrontierten die Wissenschaftler sie gezielt mit Themen, die abhängig von der politischen Neigung oftmals ganz unterschiedlich bewertet werden. Zum Beispiel: „Wie hat sich die Arbeitslosenquote im Laufe der Präsidentschaft Barack Obamas entwickelt?“ Oder: „Inwiefern hat sich die Zahl der illegalen Einwanderer in den vergangenen zehn Jahren geändert?“

Austausch nur mit Gleichgesinnten

Nachdem die Probanden geantwortet hatten, erfuhren sie, wie andere gleichgesinnte Teilnehmer diese Frage eingeschätzt hatten – die Antworten der gegnerischen politischen Gruppe bekamen sie dagegen nicht zu sehen. Anschließend durften die Teilnehmer ihre eigene Antwort noch einmal anpassen. Welchen Einfluss würde der Austausch innerhalb dieser künstlich kreierten Filterblase haben?

Überraschenderweise zeigte sich: Anders als erwartet, verstärkten sich verzerrte Wahrnehmungen dadurch keineswegs. Im Gegenteil: Durch den Abgleich mit ihren Parteigenossen wurden die Antworten der Probanden im Schnitt um 35 Prozent genauer. Außerdem glichen sich durch diesen Prozess nicht nur die Antworten innerhalb der gleichen politischen Gruppe einander an. Sie wurden auch jenen Antworten ähnlicher, die die Teilnehmer aus der anderen Gruppe gegeben hatten.

Polarisierung lässt nach

Demnach kann selbst der soziale Austausch innerhalb homogener Gruppen oder Echokammern die Faktengenauigkeit verbessern und die Polarisierung reduzieren, wie Beckers Kollege Damon Centola betont: „Bemerkenswerterweise zeigen unsere Ergebnisse, dass es auch in Echokammern zu einem verbesserten Verständnis kontrovers diskutierter Themen kommen kann.“

Nach Ansicht der Forscher greifen die Vorteile der sogenannten Schwarmintelligenz folglich auch in sozialen Netzwerken – zumindest unter bestimmten Bedingungen. Wie die Autoren selbst einschränkend betonen, waren die Studienteilnehmer im Experiment motiviert, korrekte Antworten zu geben. In der realen Welt geht es vielen Nutzern sozialer Netzwerke allerdings oftmals darum, Kontroversen gezielt zu befeuern.

„Unsere Erkenntnisse legen nahe, dass die Weisheit der Masse trotz parteilicher Verzerrungen Bestand haben kann. Die Frage ist nun, ob und wenn ja unter welchen Umständen sie im Alltag womöglich doch versagt“, so das Fazit des Teams. (PNAS, 2019, doi: 10.1073/pnas.1817195116)

Quelle: University of Pennsylvania

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