Archäologie

Das Rätsel der Ringe

Archäologen rätseln über ringförmige Relikte aus einer Bronzezeit-Festung

Ringe
Angekohlte Ringfragmente (oben) aus einer Bronzezeit-Festung in Österreich geben Archäologen Rätel auf – denn diese Ringe sind ganz anders als die unten gezeigten Tonringe. © Heiss et al, 2019

Mysteriöse Ringe: In einer Hügelfestung in Österreich haben Archäologen drei merkwürdige Objekte aus der Bronzezeit entdeckt. Es handelt sich um kleine Ringe, die aber weder aus Metall noch Holz oder Stein bestehen. Stattdessen handelt es sich um eine Art getrockneten Mehlteig – ähnlich modernen Nudelteigen, wie Analysen ergaben. Warum jedoch diese Teige zu trockenen Ringen geformt und in einer Grube begraben wurden, ist bisher völlig rätselhaft.

Schon seit Jahrtausenden spielen Getreide für die Ernährung unserer Vorfahren eine wichtige Rolle. Anfangs genossen sie die zerkleinerten stärkehaltigen Körner von Gerste, Einkorn, Emmer oder Dinkel vermutlich vorwiegend als Brei. Gleichzeitig diente das Getreide als Grundlage für Bier und andere fermentierte Getränke. Später begannen die Menschen, das erste Brot zu backen und es auch als Proviant mit auf Wanderungen zu nehmen., wie archäologische Funde belegen.

Ausgrabungen in der Bronzezeit-Festung

Doch was Archäologen jetzt in Österreich entdeckt haben, passt in keine dieser bekannten Getreide-Nutzungen – und gibt ihnen Rätsel auf. Die Funde stammen aus der bronzezeitlichen Hügelfestung Stillfried an der March. Auf einem Hügel über dem Fluss gelegen, hatte diese befestigte Siedlung eine strategisch günstige Lage an einem Kreuzungspunkt zweier alter Handelswege – der Bernsteinstraße und einer von Ost nach West laufenden Route zu den Karpaten.

Im Inneren dieser Hügelfestung gibt es rund 100 große Speichergruben, in denen die Bewohner offenbar ihre Nahrungsvorräte lagerten. Merkwürdig allerdings: Einige Gruben sind nicht mit Nahrungsresten, sondern einer ungewöhnlichen Mischung ganz verschiedener Objekte gefüllt, wie Andreas Heiss vom Österreichischen Archäologischen Institut und sein Team berichten. Dazu gehören Tierknochen, einige menschliche Schädel, aber auch zerbrochene Tongefäße, Trümmer von Lehmwänden und verkohltes Holz.

Ringe aus Getreideteig

Als besonders merkwürdig aber entpuppten sich drei angekohlte Ringe, die die Forscher in einer dieser Speichergruben entdeckten. Diese rund drei Zentimeter großen Objekte bestanden nicht aus Ton, sondern schienen organischen Ursprungs zu sein. Eine Datierung ergab, dass die Ringe rund 2.990 Jahre alt sind und damit aus der späten Bronzezeit stammen.

Woraus aber bestanden sie? „Wenn man sie mit bloßem Auge betrachtet, erscheinen die Oberflächen dieser Ringe sehr dicht. Weder Poren noch Pflanzenteile sind sichtbar“, berichten Heiss und seine Kollegen. Bei näherem Hinsehen erkennt man zudem eine feine Naht an der Oberfläche der Ringe. „Sie könnte dadurch entstanden sein, dass das Material erst zu einer Röhre gerollt und dann an seinen Enden zum Ring zusammengefügt worden ist“, mutmaßen die Forscher.

Eher Nudel als Brot

Mikroskopische Analysen enthüllten weitere Details des Ring-Materials: Es enthält einzelne größere Bruchstücke von Getreidekörnern in einer stärkehaltigen Grundmatrix. Diese besteht größtenteils aus einem für diese Zeit relativ fein gemahlenem Mehl aus Rispenhirse, Einkorn, Emmer und Dinkel. „Das Material ähnelt damit einem eher feinen Porridge“, berichten die Archäologen. „Um das Mehl für diesen Ring zu mahlen und zu sieben, investierten seine Schöpfer einiges an Aufwand.“

BRonzezeitlicher GEtreidering
Nahaufnahmen eines der angekohlten Getreideringe aus Stillfried. © Heiss et al/ PloS ONE, CC-by 4.0

Das Rezept für die Herstellung der Ringe haben die Forscher unter anderem anhand des Zustands der Stärkekörner im Teig rekonstruiert. „Die Zubereitung ähnelt am ehesten dem der heutigen Nudeln“, erklären sie. Demnach wurde das Getreidegemisch mit wenig Wasser zu einem eher festen Teig geknetet und dann zu den Ringen gerollt und zusammengefügt. Die Teigringe wurden dann jedoch nicht wie Brot gebacken, sondern nur an der Luft oder bei geringer Hitze getrocknet.

Verwendungszweck bleibt rätselhaft

Doch wozu dienten die prähistorischen „Nudelringe“? „Waren sie eine Alltagsspeise, die man in der Speichergrube deponierte oder wurden sie für einen bestimmten symbolischen Zweck hergestellt?“, fragen Heiss und sein Team. „In ihre Produktion wurde offensichtlich mehr Zeit investiert als für Nahrung allein nötig. Die Ringe waren demnach von höherem Wert als die anderen Getreideprodukte aus Stillfried.“

Nach Ansicht der Forscher müssen diese Ringe daher mehr als nur bloße Speise gewesen sein. „Wahrscheinlich wurden sie nicht für den Verzehr hergestellt“, so Heiss und seine Kollegen. Möglicherweise, so mutmaßen sie, verwendeten die Bronzezeit-Menschen diese Getreideringe im Rahmen spezieller Rituale. Dafür sprechen auch der gute Erhaltungszustand und die Mitfunde der Ringe. Sie könnten auf eine sorgfältige und vielleicht rituelle Platzierung dieser Objekte in der Grube hindeuten, so die Forscher.

Noch allerdings sind dies nur Spekulationen. „Der genaue Zweck der Getreideringe von Stillfried bleibt vorerst unbekannt“, konstatieren die Archäologen. Das bronzezeitliche Ringrätsel ist damit noch immer ungelöst. (PLoS ONE, 2019; doi: 10.1371/journal.pone.0216907)

Quelle: PLOS

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