Risiko eingegrenzt: Ein neues Modell kann vorhersagen, wo an einem Vulkan der nächste Lavaaustritt stattfinden wird – eine bisher kaum machbare Herausforderung. Möglich wird dies durch die Kombination von geophysikalischen Daten mit einer statistischen Methode, wie Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten. Beim Supervulkan der Campi Flegrei bei Neapel hat das neue Modell seine Treffsicherheit bereits bewiesen.
Schon die Vorhersage des nächsten Ausbruchszeitpunkts ist bei einem aktiven Vulkan eine Herausforderung. Noch schwieriger aber wird es, wenn man prognostizieren will, wo genau am Vulkan die Lava austreten wird. Denn häufig bahnt sich das Magma einen neuen Weg und tritt an den Flanken des Vulkans oder sogar an kilometerweit entfernten Spalten aus, wie beispielsweise beim Bardarbunga auf Island oder dem Kilauea auf Hawaii.
Das Problem der Prognose
Noch extremer ist dies bei Supervulkanen: Deren riesige Calderen können von den Schloten kleinerer Ausbrüche förmlich durchlöchert sein. „Calderen sehen oft aus wie ein mit Maulwurfshügeln bedeckter Rasen“, sagt Erstautorin Eleonora Rivalta vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam. Hinzu kommt: Die Eruptionen solcher Calderen sind selten und liegen zeitlich weit auseinander. Entsprechend schwer ist es, die Lage des nächsten Ausbruchs bei einem solchen Caldera-Vulkan vorherzusagen.
„Bisherige Modelle basierten auf Statistiken über die Orte vergangener Eruptionen“, sagt Rivalta. Dabei gingen Vulkanologen davon aus, dass vorhandene Schlote Schwachstellen im Untergrund bilden, durch die beim nächsten Mal Magma leichter aufsteigen kann. Dagegen spricht allerdings, dass viele Schlote „Einmal-Öffnungen“ sind, wie Rivalta und ihr Team erklären: Sie sind nur bei einem Ausbruch aktiv und dann nicht wieder.
Geophysik kombiniert mit Statistik
Deshalb hat das Forscherteam nun eine neue Methode für die Lageprognose von Schloten entwickelt. „Wir verwenden das aktuellste physikalische Wissen darüber, wie Magma sich unterirdisch ausbreitet, und kombinieren das mit einem statistischen Verfahren und dem Wissen über die Struktur und Geschichte des Vulkans“, erklärt Rivalta. Konkret ermitteln die Forscher dafür Faktoren wie die Lage der Magmakammer, die Spannungsverteilung im Untergrund oder die Lage von vulkanischen Eruptivgängen.
Dieses physikalische Modell kombinieren die Wissenschaftler dann mit einem statischen Verfahren, der sogenannten Monte-Carlo-Simulation. „Wir stimmen die Parameter des physikalischen Modells so lange ab, bis sie mit früheren eruptiven Mustern übereinstimmen. Dann haben wir ein Arbeitsmodell und können damit zukünftige Ausbruchsstellen prognostizieren“, erläutert Rivalta.
Test am Supervulkan
Wie treffsicher das neue Modell ist, testeten die Forscher am Beispiel der Campi Flegrei bei Neapel. Dieser Supervulkan hat vor 40.000 Jahren, vor 29.000 Jahren und vor 15.000 Jahren Großeruptionen durchlebt, die halb Europa mit Asche überzogen und eine riesige Caldera hinterließen. Seither haben zahlreiche kleiner Ausbrüche gut 70 Schlote im Vulkangebiet hinterlassen. In jüngster Zeit mehren sich die Anzeichen dafür, dass der Supervulkan auf eine neue Großeruption hinsteuert – dann könnten mehr als eine Million Menschen betroffen sein.
Für ihren Test fütterten die Forscher ihr Modell mit den geophysikalischen Daten dieses Supervulkans und ließen es zunächst die Lage einiger früherer Schlote rekonstruieren. Deren Lageinformationen hatten sie zuvor nicht mit eingespeist. Und tatsächlich: Die Ergebnisse bildeten die allmähliche Verlagerung der Schlote ab und sagten auch die Lage der letzten Eruption voraus. Sie fand 1538 am Monte Nuevo im Nordosten der Caldera statt – und damit einem Gebiet, das nach früheren Ansätzen als unwahrscheinlich eingestuft worden wäre.
Künftige Ausbrüche drohen im Nordosten
Noch wichtiger aber: Das neue Modell sagt auch voraus, wo künftige Ausbrüche der Campi Flegrei zu erwarten sein. Demnach könnten sich neue Schlote am ehesten im Nordosten der Caldera ereignen. Die wahrscheinlichste Ausbruchszone bildet dort einen Ring in 2,3 bis 4,5 Kilometern Entfernung vom Calderazentrum, wie die Forscher berichten. Diese Risikozone liegt damit nicht im unter Wasser liegenden Teil des Vulkangebiets, sondern mitten im dicht besiedelten Küstengebiet.
Ob das Modell auch bei anderen Vulkanen so treffsicher ist, wollen die Forscher als nächstes untersuchen. „Wenn unsere Methode auch bei anderen Vulkanen gut funktioniert, kann sie helfen, die Landnutzung in vulkanischen Gebieten besser zu planen und den Ort zukünftiger Eruptionen mit einer höheren Sicherheit als bisher vorherzusagen“, sagt Rivalta. (Science Advances, 2019; doi: 10.1126/sciadv.aau9784)
Quelle: Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ