Biotechnologie

Permafrost liefert 14.000 Jahre alte RNA

Forscher isolieren älteste je sequenzierte RNA aus einem eingefrorenen Steinzeit-Wolf

RNA
Im Gegensatz zur DNA ist die RNA eher kurzlebig und bleibt daher selten in Fossilien oder Kadavern erhalten. Doch es gibt Ausnahmen, wie nun ein 14.000 Jahre im Permafrost konservierter Wolf belegt. © Christoph Burgstedt

Spannender Durchbruch: Forscher haben erstmals 14.000 Jahre alte RNA aus einem fossilen Lebewesen isoliert und sequenziert. Lieferant dieser normalerweise kurzlebigen Erbgutvariante war ein Steinzeit-Wolf, der jahrtausendelang im sibirischen Permafrost konserviert lag. Seine RNA ist nun die älteste je ausgelesene RNA – und der Beleg dafür, dass dieser „Übersetzer“ zwischen Genen und Proteinen länger erhalten bleiben kann, als man es bisher für möglich hielt.

Die Möglichkeit, selbst aus lange gestorbenen Tieren oder Menschen noch Erbgut zu isolieren, hat die Paläontologie und Archäologie revolutioniert. Denn der Blick ins Genom verrät die Herkunft und Verwandtschaft früher Menschenformen und kann sogar das Aussehen einiger unserer Vorfahren rekonstruieren helfen. Alte DNA kann aber auch die Geschichte domestizierter Tierarten wie der Pferde oder Hunde aufklären helfen.

Fragile Genkopien

Doch die DNA allein verrät noch nicht, welche der Gene tatsächlich einst in diesen Lebewesen aktiv waren. Ein besseres Bild vergangener Genaktivität liefert dagegen die RNA. Denn sie entsteht bei der Transkription von Genen und damit beim Ablesen der genetischen Bauanleitungen im Rahmen der Proteinproduktion. Das Problem jedoch: Die RNA ist kurzlebig und wird nach Übermittlung ihres Codes an die zellulären Proteinfabriken durch Enzyme schnell wieder abgebaut.

Die Chance, in einem toten Tier oder Menschen noch RNA zu finden, ist daher gering – und wird mit zunehmendem Alter der Überreste immer geringer. „Weil die RNA instabiler ist als DNA und leicht der enzymatischen Degradierung zum Opfer fällt, haben Genetiker bisher kaum versucht, alte RNA zu sequenzieren“, erklärt Oliver Smith von der Universität Kopenhagen. Vor einigen Jahren jedoch gelang es Forschern, immerhin Teile der RNA eines 700 Jahre alten Insektenvirus aus einem Eisbohrkern zu gewinnen. Auch alte pflanzliche RNA wurde bereits isoliert.

Steinzeit-Welpe als Test-Exemplar

Jetzt haben Smith und sein Team erstmals die alte RNA eines höheren Tieres isoliert und sequenziert. Lieferant für das Erbmaterial war unter anderem der „Tumat“-Welpe – ein vor 14.000 Jahren in Sibirien gestorbener Wolf oder teildomestizierter Wolfshund. Die Überreste dieses jungen Steinzeit-Wolfs blieben über die Jahrtausende hinweg eingefroren im Permafrost konserviert.

Für ihre Studie entnahmen die Forscher Gewebeproben aus Muskeln, Leber und Knorpel dieses Tieres und versuchten, mit verschiedenen Methoden daraus die RNA zu isolieren und zu sequenzieren. „Wir spekulierten darauf, dass ein so gut erhaltenen Tier-Exemplar, das im Permafrost eingefroren war, vielleicht gerade noch genug RNA-Material enthalten könnte, um es zu sequenzieren“, sagt Smith.

Älteste je sequenzierte RNA

Und tatsächlich wurden die Forscher fündig: In den Proben des Steinzeit-Wolfs befanden sich noch zwischen 0,28 und 0,57 Mikrogramm RNA pro Gramm Material, wie sie berichten. Daraus gelang es Smith und seinem Team, die Sequenzen zahlreicher der meist kurzen RNA-Fragmente zu entschlüsseln. Um auszuschließen, dass diese Erbgutschnipsel auf moderne Kontaminationen zurückgehen, führten sie mehrere Vergleichsanalysen durch. „Die Ergebnisse aller dieser Analysen liefern überzeugende Belege für die Authentizität der RNA-Daten“, konstatieren die Forscher.

Erstmals ist es damit gelungen, die RNA eines vor rund 14.000 Jahren gestorbenen Tieres auszulesen – eine echte Weltpremiere. Denn das aus dem Tumat-Welpen isolierte Erbgut ist die mit Abstand älteste RNA, die je sequenziert wurde, wie die Forscher berichten. Das nächstältere RNA-Isolat ist rund 5.000 Jahre alt, dieses wurde aber nicht sequenziert. Die zuvor älteste ausgelesene RNA war dagegen gerade einmal 700 Jahre alt.

Zuordnung zu Genen noch möglich

Doch das ist noch nicht alles: „Zu unserer Freude konnten wir nicht nur RNA aus verschiedenen Geweben isolieren – in einigen Fällen war die RNA sogar so spezifisch, dass wir die Gewebetypen daran ablesen konnten“, berichtet Smith. Vor allem die Leber des Tumat-Welpen erwies sich dabei als reiche Fundgrube alter, gewebespezifischer Genkopien, wie der Vergleich mit RNA-Sequenzen moderner Hunde ergab.

„Mehrere stark exprimierte Gene in dem alten Lebergewebe sind mit der Leberfunktion verknüpft, darunter Apolipoproteine, Fetuine und Retinol-bindende Proteine“, so die Forscher. Bei den insgesamt weniger gut erhaltenen Muskel- und Knorpelproben waren dagegen kaum gewebespezifische RNA-Fragmente identifizierbar. Dennoch ließen sich insgesamt mehr als 85 Prozent der steinzeitlichen RNA-Abfolgen entweder direkt oder indirekt auf die Transfer-RNA von Hunden und Wölfen zurückführen.

„Großes Potenzial“

„Unsere Ergebnisse liefern den Beweis, dass unter Permafrost-Bedingungen auch nach tausenden von Jahren durchaus noch gewebespezifische Transkriptom-Profile von Säugetiergeweben gewonnen werden können“, konstatieren Smith und sein Team. Sie vermuten zudem, dass sich geeignete Proben nicht nur im Permafrost finden, sondern auch in anderen Gebieten mit ausreichend kaltem Klima wie in Grönland, Alaska oder der Antarktis.

Auch wenn der Fund gut erhaltener alter RNA auch in Zukunft nicht die Regel sein wird, sehen die Forscher darin jedoch ein enormes Potenzial. „Denn das RNA-Stadium ist oft entscheidend, um die Komplexitäten der Genregulation zu verstehen“, erklärt Smith. Zudem besitzen die meisten heute klinisch relevanten Viren wie HIV, Ebola, Tollwut oder Influenza RNA-Genome. Durch alte RNA könnte es möglich werden, ihre Evolution zu rekonstruieren. (PLOS Biology, 2019; doi: 10.1371/journal.pbio.3000166)

Quelle: PLOS

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Im Fokus: Genetik - Dem Bauplan des Lebens auf der Spur Von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Ötzi 2.0 - Eine Mumie zwischen Wissenschaft, Kult und Mythos von Angelika Fleckinger

Top-Clicks der Woche