Von wegen ausgeblendet: Unser Gehirn prägt sich offenbar auch vermeintlich unwichtige Alltagsgeräusche erstaunlich gut ein. Ob das Brummen eines Kühlschranks oder das Sprudeln in einem Wasserglas: Wie ein Experiment enthüllt, erinnern wir uns an solche Geräusche sogar dann im Detail, wenn wir vollkommen abgelenkt und auf etwas anderes konzentriert waren. Demnach speichert unser Gehirn keineswegs nur Sinneseindrücke, denen wir aktiv unsere Aufmerksamkeit schenken.
Der Mensch lebt unter permanenter Beschallung. Ob Zuhause, draußen auf der Straße oder im Büro: Ständig sind wir umgeben von Geräuschen. Viele dieser akustischen Signale nehmen wir jedoch gar nicht bewusst wahr. Denn unser Gehirn filtert aus der Flut an Geräuschen, Stimmen und Co nur das heraus, was ihm in diesem Moment wichtig erscheint.
Wer sich im Café etwa konzentriert mit einem Bekannten unterhält, registriert das Sprudeln, das am Nebentisch durch das Einschenken eines Glases Wasser entsteht, allenfalls beiläufig. Das Geräusch erreicht zwar das Ohr, es wird aber nicht aktiv verarbeitet. Doch was passiert mit diesen unbeachteten und beiläufig wahrgenommenen Alltagsgeräuschen eigentlich im Gehirn? Werden sie sofort gelöscht und vergessen – oder womöglich doch abgespeichert?
Konzentrationstest mit Beschallung
Dieser Frage sind nun Fabian Hutmacher und Christof Kuhbandner von der Universität Regensburg nachgegangen. Um herauszufinden, welche der täglich auf uns einströmenden Sinneswahrnehmungen sich in unser Gedächtnis einprägen, führten sie ein Experiment mit 51 Probanden durch. Die Studienteilnehmer saßen vor einem Bildschirm, auf dem ihnen für jeweils 250 Millisekunden kurze Wörter präsentiert wurden. Kam ein Wort zweimal hintereinander vor, sollten sie eine Taste drücken.
Das Entscheidende: Während sie diese Aufgabe absolvierten, wurden die Versuchspersonen über Kopfhörer mit Alltagsgeräuschen beschallt – ein Glas wird mit Wasser gefüllt, ein Kühlschrank brummt, die Waschmaschine läuft. Die Teilnehmer bekamen dabei die Anweisung, sich voll und ganz auf die Wörter zu konzentrieren und die Hintergrundgeräusche so gut es geht auszublenden. Sie dachten, es ginge bei dem Test um die Frage, wie gut sich Menschen trotz Ablenkung auf eine Aufgabe konzentrieren können.
Gespeichert trotz Ablenkung
Im Anschluss folgte dann das eigentliche Experiment: Die Wissenschaftler spielten den Probanden zwei Geräusche aus derselben Kategorie vor, beispielsweise das Brummen zweier Kühlschränke. Die jeweilige Versuchsperson sollte dann entscheiden, welche der beiden Audiodateien sie gerade schon einmal gehört hatte. Für die Hälfte der Geräusche wurde dieser Test erst 24 Stunden später durchgeführt.
Wie gut würden sich die Teilnehmer an die Geräusche erinnern können? Die Ergebnisse offenbarten, dass wir uns offenbar mehr vermeintlich unwichtige Sinneseindrücke merken als zuvor gedacht. So lag die Trefferquote beim sofort durchgeführten Test bei immerhin rund 57 Prozent und einen Tag später bei rund 56. Die Studienteilnehmer konnten das bereits zuvor gehörte Geräusch demnach etwas häufiger korrekt identifizieren als durch bloßen Zufall.
Was bleibt hängen und was nicht?
Wie die Forscher betonen, mögen diese Quoten auf den ersten Blick eher gering erscheinen. Sie sind ihnen zufolge jedoch aus zweierlei Gründen erstaunlich: Erstens haben die Versuchsleiter im Experiment alles unternommen, um das Erinnern zu verhindern. Zweitens haben frühere Studien nahegelegt, dass Ablenkung das Erinnern an Geräusche deutlich erschwert.
Nach Ansicht von Hutmacher und Kuhbandner zeichnet sich mit den neuen Ergebnissen nun aber ab: Von den auf uns einströmenden Sinneseindrücken bleiben mitnichten nur jene im Gedächtnis hängen, die unsere Aufmerksamkeit aktiv auswählt. Es bilden sich auch Erinnerungen von vermeintlich unwichtigen Geräuschen. Diese Erinnerungen sind zudem auch noch sehr detailliert – denn die für das Experiment verwendeten Geräusche unterschieden sich nur in Details.
„Trotzdem werden offensichtlich nicht alle Eindrücke im Langzeitgedächtnis gespeichert. In weiteren Forschungsprojekten möchten wir gerne hinter die Mechanismen kommen, die darüber entscheiden, welche Wahrnehmungen gespeichert werden und welche nicht“, schließt Hutmacher. (Journal of Experimental Psychology: General, 2019; doi: 10.1037/xge0000650)
Quelle: Universität Regensburg