Geologie/physische Geographie

Von schrumpfenden Äpfeln und Pentagonalnetzen

Wie entstehen Gebirge?

Eine der immer wiederkehrenden Fragen in allen „Theorien der Erde“ war die Entstehung der Gebirge. Für die Theoretiker des 18. Jahrhunderts wie Buffon oder Leibniz waren sie urzeitliche Gebilde aus der Entstehungszeit der Erde. Für Hutton, den Verfechter der Feuertheorie, entstanden sie dagegen fortwährend neu. Sie waren Teile der Erdkruste, die durch unterirdische Verlagerung von Magma angehoben worden waren und erst später durch Verwitterung und Erosion ihr heutiges Gesicht erhielten.

Alexander von Humboldt, Gemälde von Friedrich Georg Weitsch, 1806
Alexander von Humboldt 1806 © F. G. Weitsch (Maler)/ Karin März (Foto)

Humboldt entdeckt das Muster der Gebirge

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erhielt die bis dahin vorwiegend theoretische Diskussion durch die zunehmende Feldforschung neue Impulse. Im Mittelpunkt der Überlegungen stand dabei die Frage, wie und warum die Gebirge der Erde so ungleichmäßig verteilt waren, und zu welcher Zeit sie entstanden sein könnten. Unter den Gelehrten, die sich mit diesen Problemen befassten, war auch der Forschungsreisende und Universalgelehrte Alexander von Humboldt.

Auf seiner Südamerikareise 1801 erforschte er nicht nur die Tier- und Pflanzenwelt dieses Kontinents. Er erkundete auch die Lage und Ausrichtung von Gebirgsketten und suchte dabei nach einem übergeordneten Muster, einer Analogie zwischen dem Verlauf von Küstenlinien und den Gebirgszügen in verschiedenen Ländern. Er entdeckte Anzeichen dafür, dass Gebirgszüge bevorzugt in bestimmte Richtungen verliefen und dass sie durch gewaltige, aus dem Erdinneren heraus wirkende Kräfte entstanden sein müssten.

Blick über die Berner Alpen
Schweizer Alpen © Fiesch / CC BY-SA 3.0

Gebirge als Schrumpfungsfalten?

Basierend auf den Bobachtungen Humboldts und anderer Feldforscher entwickelte der Franzose Elie de Beaumont, Professor am Collège de France, eine Theorie zur Gebirgsbildung, die für weite Teile des 19. Jahrhunderts zum tonangebenden Paradigma werden sollte. Schon 1829 hatte de Beaumont festgestellt, dass die Gebirge nicht alle gleich alt waren, sondern es offenbar mehrere Hauptphasen der Gebirgsbildung gegeben haben musste. Seine Erklärung dafür war einfach: Als die Erde langsam abkühlte, zog sie sich zusammen, so dass sich die feste Kruste von Zeit zu Zeit verwarf und verzog wie die Schale eines Apfels. Im Unterschied zur Apfelanalogie glaubte Beaumont jedoch, dass diese Verrunzelungsbewegungen plötzlich aufgetreten und mit Flutwellen und anderen Katastrophen einhergegangen seien.

Doch wie war die ungleichmäßige Verteilung der Gebirge zu erklären? Wie schon Humboldt ging auch de Beaumont davon aus, dass die Gebirgszüge der Erde nicht willkürlich angeordnet waren, sondern dass ihrer Entstehung bestimmte zeitliche und räumliche Muster zugrunde lagen. Aus den Berichten und Karten der Forschungsreisenden und Feldforscher glaubte Beaumont zu erkennen, dass sich die Gebirgsbildungszonen der Erde in fünfzehn Halbkreisen um den Globus zogen. Aus Kreuzungen dieser Halbkreise ergab sich wiederum ein Netz aus zwölf Fünfecken, das sogenannte „Pentagonalnetz“.

Obwohl diese Hypothese kaum von Fakten untermauert werden konnte, setzte sie sich zunächst durch – nicht zuletzt dank der herausragenden Stellung Beaumonts in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Reste dieser Apfeltheorie blieben, wenn auch in veränderter Form, bis ins 20. Jahrhundert hinein erhalten.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Plattentektonik
Alfred Wegener und der Weg zu einem neuen Bild der Erde

Auf der Suche nach einer "Theorie der Erde"
Descartes und die Anfänge eines geologischen Weltbildes

Feuer oder Wasser?
Streit um die "Hauptrolle" bei den geologischen Veränderungen

Von schrumpfenden Äpfeln und Pentagonalnetzen
Wie entstehen Gebirge?

Faltungen, Eisberge und einseitige Kräfte
Das Rätsel der Gebirgswurzeln

Jede Menge ungelöster Rätsel...
Die Situation zur Zeit Wegeners

Die "Bombe" platzt
Wegener präsentiert seine Theorie

Auf tönernen Füßen....
Ablehnung und Kritik

Die Konvektion kommt ins Spiel
Wegener erhält Unterstützung

"Und sie bewegen sich doch..."
Der späte Sieg der Plattentektonik

Wechselwirkungen aller Art
Was passiert an den Plattengrenzen?

Die leise Revolution in der Theorie der Tektonik
Was hat sich bis heute getan?

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