Archäologie

Prähistorische Babyflaschen entdeckt

Schon unsere Vorfahren fütterten ihren Nachwuchs mit Milch aus einer Art Nuckel-Fläschchen

Babyflaschen aus Ton
Aus solchen Gefäßen tranken Babys in der Bronze- und Eisenzeit Milch. © Katharina Rebay-Salisbury

Frühe Flaschenkinder: Schon unsere Vorfahren aus der Bronze- und Eisenzeit kannten Babyfläschchen – aus Ton. Sie fütterten ihren Nachwuchs aus diesen Gefäßen mit tierischer Milch, wie archäologische Funde aus Bayern nahelegen. Vermutlich diente sie als ergänzende Nahrung während der Abstillphase oder als Ersatz für fehlende Muttermilch. Die Umstellung auf Milch von Kühen und Co könnte für die Kinder damals jedoch auch ein Gesundheitsrisiko bedeutet haben.

In den ersten Lebensmonaten eines Kindes ist Muttermilch die beste Nahrungsquelle. Der Protein-Cocktail aus der Brust versorgt das Baby mit allen wesentlichen Nährstoffen für sein Wachstum und stärkt zudem sein Immunsystem. Ob und wie lange ein Kind gestillt wird, ist für seine spätere Gesundheit daher von entscheidender Bedeutung. Gleichzeitig hat der Zeitpunkt des Abstillens auch Auswirkungen auf die Fortpflanzung: Stillt die Mutter früh ab, kann sie schneller wieder schwanger werden.

In modernen Gesellschaften stillen Mütter ihren Nachwuchs in der Regel einige Monate bis ein Jahr lang. Doch wie sah das Stillverhalten unserer Vorfahren aus? Bekannt ist, dass Jäger und Sammler ihre Neugeborenen typischerweise mehrere Jahre mit Muttermilch versorgen – dies gilt wahrscheinlich auch für unsere frühen Vorfahren. Mit der Übernahme des sesshaften Lebensstils begann sich die Stillzeit jedoch mehr und mehr zu verkürzen, wie Zahnanalysen von Kindern aus frühen Bauerngemeinschaften nahelegen.

Tongefäße mit Nuckel-Vorrichtung

Wie aber stillten unsere Vorfahren ihren Nachwuchs ab? Archäologische Funde von flaschenähnlichen Tongefäßen deuten darauf hin, dass die Farmerskinder in dieser Phase mit flüssiger Ersatznahrung gefüttert worden sein könnten. Denn diese Gefäße passen gut in die Hand eines Babys und besitzen oftmals eine Art Tülle, durch die Kleinkinder problemlos Milch oder ähnliches saugen können.

Wie Julie Dunne von der University of Bristol und ihre Kollegen berichten, tauchte diese Art der mitunter tierförmigen Flaschen erstmals in der Jungsteinzeit um 5000 vor Christus in Europa auf. Im Laufe der Bronze- und Eisenzeit wurden solche Gefäße dann offenbar immer häufiger genutzt. Ob die vermeintlichen Babyfläschchen allerdings wirklich zum Füttern des Nachwuchses verwendet wurden und was sie enthielten, war bisher unklar.

Ein Kind trinkt aus einer rekonstruierten Babyflasche unserer Vorfahren. © Helena Seidl da Fonseca

Rückstände von Milch

Das hat sich nun geändert: Das Forscherteam um Dunne hat in Kindergräbern aus Bayern drei kleine Tongefäße entdeckt, die Rückschlüsse auf den ehemaligen Inhalt zulassen. Zwei der Flaschen stammen aus der Zeit zwischen 800 und 450 vor Christus und damit aus der frühen Eisenzeit. Die dritte datieren die Wissenschaftler auf das späte Bronzezeitalter zwischen 1200 und 800 vor Christus. Alle Gefäße lagen in Gräbern von bis zu sechs Jahre alten Kindern.

Um herauszufinden, was die Artefakte mit Durchmessern von nur fünf bis zehn Zentimetern enthielten, untersuchten die Forscher mithilfe chemischer und isotopischer Analysen in den Gefäßen erhaltene Fettrückstände. Die Ergebnisse offenbarten: Die Flaschen waren einst tatsächlich mit Milch gefüllt.

Einsatz während der Abstillphase

In zwei der Gefäße lassen sich demnach Fettsäuren aus Milch von Wiederkäuern wie Rindern, Schafen oder Ziegen nachweisen. Die Spuren in dem anderen Behälter deuten dagegen auf Milch aus unterschiedlichen Quellen hin – womöglich von Schweinen oder auch Menschen, wie das Team berichtet. Damit verdichten sich die Hinweise darauf, dass es sich bei diesen Gefäßen tatsächlich um Babyfläschchen handelt.

Nach Ansicht der Wissenschaftler dienten sie dazu, den Nachwuchs in der Abstillphase als Ergänzung mit tierischer Milch zu versorgen. Denkbar sei aber auch, dass die Fläschchen zum Einsatz kamen, wenn das Stillen aus irgendeinem Grund nicht möglich war. „Die Nachweise aus unseren Analysen bestätigen, wie wichtig Milch von domestizierten Tieren für diese frühen Gesellschaften war“, konstatieren die Forscher.

Ersatznahrung mit Risiken?

„Diese kleinen Gefäße liefern uns wertvolle Informationen darüber, wie Babys vor tausenden von Jahren gefüttert wurden“, ergänzt Dunne. „Damit stellen sie eine echte Verbindung zu Müttern und ihren Kindern aus der Vergangenheit her.“ Wie sie betont, war es für unsere Vorfahren keine leichte Aufgabe, ihre Babys durchzubringen.

Die Verfügbarkeit tierischer Ersatznahrung könnte in diesem Zusammenhang ein Vorteil gewesen sein. Andererseits stellte die Viehmilch womöglich auch ein Gesundheitsrisiko dar, wie Sian Halcrow von der University of Otago in einem begleitenden Kommentar erklärt: „Im Gegensatz zu Muttermilch liefert tierische Milch nicht alle für Kinder wichtigen Nährstoffe. Die Verwendung schwer zu reinigender Gefäße erhöht zudem die Gefahr für lebensbedrohliche Infektionen.“

Mit der Einführung von Flaschenmilch könnte die Gesundheit mancher Kinder somit gelitten haben. Welche Folgen diese Art von Babynahrung wirklich hatte, soll nun die Untersuchung menschlicher Skelette aus prähistorischen Gräbern zeigen. „Dies hilft uns vielleicht, die Bedeutung der Verbreitung von Tiermilch für das Leben der Kinder damals besser zu verstehen“, schließt die Bioarchäologin im Fachmagazin „Nature“. (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-019-1572-x)

Quelle: Nature Press/ University of Bristol

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