Biologie

Auch Glasaale orientieren sich am Mond

Migrierende Jungaale nutzen den Neumond als Richtungsgeber

Glasaal
Als Jungfische sind Aale noch durchscheinend - sie werden daher als Glasaale bezeichnet. © Alessandro Cresci

Unsichtbarer Wegweiser: Junge Aale nutzen bei ihren Wanderungen auch den Mond zur Orientierung – aber ausgerechnet dann, wenn dieser gar nicht sichtbar ist. Denn vor allem bei Neumond richten sich die Glasaale nach seinem Stand aus, wie eine Studie enthüllt. Wie die Fische den am Himmel unsichtbaren Neumond wahrnehmen, ist noch unklar. Möglicherweise spielen elektrische Felder eine Rolle dafür, so die Vermutung der Forscher.

Der Europäische Aal unternimmt im Laufe seines Lebens eine beeindruckende Reise: Von ihrem Geburtsort in der Sargassosee im Atlantik wandern die Larven mehr als 5.000 Kilometer entlang des Golfstroms an die europäischen Küsten. Inzwischen zu kleinen durchsichtigen Glasaalen entwickelt, erreichen die Tiere die Mündungsgebiete der Flüsse. Viele von ihnen setzen ihre Reise dort weiter flussaufwärts ins Süßwasser fort. Jahre später kehren sie dann als sogenannte Silberaale ins Meer und in die Sargassosee zurück, um zu laichen und zu sterben.

Wie die Tiere als Glasaale ihren Weg durch den Ozean und an die Küsten finden, ist bisher erst in Teilen verstanden. Chemische Reize wie die Gerüche einströmenden Süßwassers scheinen dabei ebenso eine Rolle zu spielen wie das Magnetfeld der Erde. „Doch die Orientierungsmechanismen in diesem Stadium der Migration sind wahrscheinlich noch viel komplexer“, erklären Alessandro Cresci von der Rosenstiel School of Marine and Atmospheric Science in Miami und seine Kollegen.

Trabant als Orientierungshilfe?

Die Forscher haben nun untersucht, ob womöglich auch der Mond den Aalen als Kompass dient. Denn Untersuchungen zeigen, dass Glasaale besonders häufig bei Neumond an den Küsten und Mündungsgebieten der Flüsse ankommen. Und auch von anderen Meeresbewohnern wie Möwen, Rochen und Zooplankton ist bekannt, dass sie ihr Verhalten nach dem Mondzyklus richten.

Für ihre Studie beobachteten Cresci und seine Kollegen 203 Glasaale in Küstenbereichen der norwegischen Nordsee. Dabei setzten sie die Jungaale während der vier Hauptmondphasen tagsüber in eine im Wasser schwimmende, transparente Kammer – vom Neumond über das erste und dritte Viertel bis hin zum Vollmond. Wie würden sich die Tiere verhalten?

Verlässlich nur bei Neumond

Die Ergebnisse offenbarten: Tatsächlich schienen sich 86 Prozent und damit eine deutliche Mehrheit der Glasaale am Mond zu orientieren. Sie richteten sich nach dem sogenannten Azimut des Mondes aus. Dies passierte allerdings nur bei Neumond und in einem geringeren Ausmaß während des ersten Viertels, wie die Wissenschaftler berichten.

So richteten sich die Aale zwar auch nach dem Mond aus, als der sichtbare Teil des Mondes langsam wieder zunahm. Dabei war ihre Ausrichtung allerdings deutlich weniger präzise. Zudem zeigte sich die mondabhängige Orientierung während des ersten Viertels nur dann, wenn der Trabant über dem Horizont stand – also nur bei Flut. Stand der Himmelskörper bei Ebbe unterhalb des Horizonts, offenbarten sich keine eindeutigen Muster in der Ausrichtung der Aale mehr. Auch bei Vollmond und im dritten Viertel ließen sich den Ergebnissen zufolge keine solchen Muster erkennen.

„Ein zusätzlicher Hinweisgeber“

„Die Ausrichtung der Glasaale hing in unserer Studie von dem Azimut des Mondes und seiner Position im Verhältnis zum Horizont ab“, fasst Crescis Team zusammen. „Dies deutet darauf hin, dass der Mond als ein zusätzlicher Hinweisgeber während der Migration der Tiere in Richtung Land fungiert.“ Allerdings scheinen die Glasaale die Position des Trabanten nur bei Neumond exakt wahrnehmen zu können, wie die Forscher betonen.

Dies ist erstaunlich, denn der Neumond ist für das Auge unsichtbar. „Der Mechanismus, mit dem die Glasaale tagsüber den Azimut des Mondes aufspüren, kann daher nicht auf visuellen Reizen beruhen“, erklären Cresci und seine Kollegen. Ihrer Ansicht nach könnten stattdessen Gravitationskräfte oder Störungen elektrischer Felder eine Rolle spielen. So ist bekannt, dass der Mond Einfluss auf das elektrostatische Feld der Erde hat – und dass dies zum Beispiel bei Vollmond und Neumond Spannungserhöhungen auf der Erdoberfläche auslöst.

Mond und Magnetsinn als Team?

Wie und in welchen Situationen sich die Glasaale am Mond orientieren, sollen in Zukunft weitere Untersuchungen enthüllen. Dabei wollen die Forscher auch herausfinden, ob die Tiere die Mondorientierung in Kombination mit ihrem Magnetsinn nutzen. So könnten die Glasaale ihren inneren Kompass einsetzen, wenn der Mond für sie nicht wahrnehmbar ist – und mit seiner Hilfe dann auf dem Kurs bleiben, den sie beim letzten Neumond eingeschlagen haben. (Royal Society Open Science, 2019; doi: 10.1098/rsos.190812)

Quelle: Royal Society Open Science

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