Spannende Entdeckung: Astronomen haben erneut Hinweise auf einen zweiten Planeten um unseren nächsten Nachbarstern Proxima Centauri gefunden. Demnach könnte es dort zusätzlich zum habitablen Erdzwilling noch eine große, kalte Supererde geben. Diese umkreist den Stern in rund 5,2 Jahren, wie winzige Schwankungen der Sternenbewegung nahelegen. Bisher unerklärlich ist allerdings der für eine Supererde ungewöhnlich weite Orbit dieses Planeten.
Unser nächster Nachbarstern Proxima Centauri liegt nur rund vier Lichtjahre von uns entfernt – er ist das erste System, das Menschen mit einer interstellaren Mission erreichen könnten. Umso spannender war 2016 die Entdeckung eines potenziell lebensfreundlichen Erdzwillings um diesen Roten Zwerg. 2017 dann wiesen Astronomen mithilfe des ALMA-Teleskops Staubringe und das mögliche Wärmesignal eines weiteren Planeten um Proxima Centauri nach – doch die Daten waren noch zu unspezifisch.
„Taumeln“ des Sterns als Hinweisgeber
Jetzt haben Astronomen um Mario Damasso vom astrophysikalischen Observatorium Turin erneut nach Indizien für einen zweiten Planeten um Proxima Centauri gefahndet. Dafür werteten sie gut 17 Jahre an Beobachtungsdaten des HARPS-Spektrometers am Very Large Telescope der ESO in Chile aus. Sie suchten nach periodischen Verschiebungen im Lichtspektrum von Proxima Centauri, wie sie typischerweise durch den Schwerkrafteinfluss eines umkreisenden Planeten entstehen.
Diese sogenannte Radialgeschwindigkeits-Methode ist besonders für das Aufspüren von Planeten geeignet, die von uns aus gesehen nicht direkt vor ihrem Stern vorüberziehen – und daher auch keine Abschattung des Sternenlichts hervorrufen. Bei Proxima Centauri kommt allerdings erschwerend hinzu, dass dieser Rote Zwerg sehr aktiv ist: Er durchlebt häufig starke Strahlen- und Plasmaausbrüche, die ebenfalls einen quasi regelmäßigen Zyklus im Lichtspektrum erzeugen können.
Planet mit Umlaufzeit von 5,2 Jahren
Dennoch wurden Damasso und sein Team fündig: In den Spektraldaten identifizierten sie regelmäßige Schwankungen, die sich im Takt von 1.900 Tagen wiederholten. Nähere Analysen ergaben, dass die Periode dieses Signals um 482 Tage von der der Strahlenausbrüche von Proxima Centauri abweicht. „Das spricht dagegen, dass dieses 1.900-Tage-Signal durch stellare Aktivität verursacht wird“, berichten die Forscher.
Urheber des Signals ist daher höchstwahrscheinlich ein zweiter Planet um Proxima Centauri – Proxima c. Dieser Planet hat eine Umlaufzeit von 5,2 Jahren – 1.900 Tagen – und umkreist den Stern damit in einem Abstand von 1,48 astronomischen Einheiten, wie die Astronomen berichten. Damit könnte Proxima c ziemlich genau dort liegen, wo das ALMA-Teleskop vor zwei Jahren eine auffällige Wärmesignatur beobachtet hat.
Supererde weit außerhalb der habitablen Zone
Das allerdings bedeutet auch, dass der zweite Planet um unseren Nachbarstern alles andere als lebensfreundlich ist: Proxima c liegt weit außerhalb der habitablen Zone und könnte ersten Berechnungen nach eine Gleichgewichtstemperatur von eisigen minus 234 Grad aufweisen. Die Masse des Exoplaneten liegt bei rund 5,8 Erdmassen. Proxima c wäre damit eine sehr große, kalte Supererde.
Die Astronomen schließen nicht aus, dass Proxima c sogar noch schwerer sein könnte. Denn wenn sich die vom ALMA-Teleskop gefundenen Hinweise auf einen kalten, äußeren Staubring um Proxima Centauri bestätigen, dann könnte dies die Massenabschätzung verändern, wie die Forscher erklären. Proxima c könnte dann sogar gut acht Erdmassen wiegen. „Nachfolge-Beobachtungen durch ALMA sind daher essenziell“, konstatieren Damasso und sein Team.
Zu weit jenseits der Schneegrenze?
Ungewöhnlich jedoch: Diese Supererde wäre die erste, die so weit jenseits der sogenannten Schneegrenze um ihren Stern liegt – der Grenze, ab der Wasserdampf und andere Gase ausfrieren und zu Eis werden. Gängiger Theorie zufolge bilden sich Gesteinsplaneten vorwiegend innerhalb dieser Grenze. Doch im Falle von Proxima Centauri liegt die Schneegrenze bei nur 0,15 astronomischen Einheiten – die Supererde Proxima c liegt aber zehnmal weiter vom Stern entfernt.
„Die Bildung einer Supererde so weit jenseits der Schneelinie ist eine Herausforderung für unsere Bildungsmodelle“, erklären Damasso und sein Team. „Denn nach diesen müssten Supererden quasi direkt an der Schneelinie entstehen.“ Proxima c passt daher nicht ins Bild – und bisher haben auch die Astronomen dafür keine eindeutige Erklärung. Möglich wäre theoretisch, dass Proxima c ursprünglich in einem anderen Orbit kreiste oder aber dass die Schneegrenze früher weiter vom Stern entfernt lag als heute.
Weitere Beobachtungen nötig
Noch allerdings ist der zweite Planet um Proxima Centauri nicht eindeutig bewiesen – auch wenn die neuen Daten seine Existenz sehr wahrscheinlich machen. Die Astronomen hoffen nun, dass weitere Beobachtungen mit den ALMA-Teleskopen und dem Gaia-Satelliten der ESA den Planeten bestätigen und darüber hinaus weitere Informationen über seine Beschaffenheit liefern. Das könnte auch das Rätsel um seine ungewöhnliche Außenposition lösen helfen. (Science Advances, 2020; doi: 10.1126/sciadv.aax7467)
Quelle: Science Advances