Wimmelndes Leben: Unsere Brille beherbergt eine reiche Vielfalt an Bakterien, wie nun eine Studie enthüllt. In ihr fanden Forscher mehr als 5.200 verschiedene Bakterienarten auf den Gläsern, Bügeln und Nasenpolstern der Brillen von 30 Probanden. Ein Großteil davon sind harmlose Haut- und Schleimhautbakterien, aber auch potenzielle Krankheitserreger sind darunter. Eine regelmäßige feuchte Reinigung der Gläser sei daher zu empfehlen, so die Wissenschaftler im Fachmagazin „Scientific Reports“.
Unsere mikrobiellen Mitbewohner sind überall: Schon im Mutterleib kommen wir mit den ersten Bakterien in Kontakt, später besiedeln sie als Mikrobiom nahezu alle Bereiche unseres Körpers – von Nase, Mund und Zunge über den Darm bis auf die Haut. Unsere individuelle Bakteriengemeinschaft lässt sich sogar in unserem Hausstaub und als unsichtbare Wolke in der Luft um uns herum nachweisen.
Mikrobenfahndung auf der Brille
Doch das ist noch nicht alles, wie nun Birgit Fritz von der Universität Furtwangen und ihre Kollegen herausgefunden haben. Sie haben ein Utensil auf seine bakteriellen Bewohner hin untersucht, das für die Hälfte der Europäer inzwischen unentbehrlich ist: die Brille. Für ihre Studie nahmen sie Abstriche von den Brillen von 30 Studenten und Universitätsmitarbeitern – jeweils von Gläsern, Nasenpolstern und Bügeln. Diese Proben unterzogen sie einer DNA-Analyse.
„Da viele Bakterien sich bislang nicht kultivieren lassen, erlauben molekularbiologische Methoden völlig neue Einblicke in die Besiedlung von Gebrauchsgegenständen wie Brillen“, erläutert Fritz‘ Kollege Markus Egert. Bisher gab es zwar erste Hinweise darauf, dass Brillen – beispielsweise bei Chirurgen im OP – mit Mikroben kontaminiert sein können. Wie viele und welche Arten sich aber auf unseren Brillen tummeln, war unklar.
Viele Hautbakterien, aber auch Krankheitserreger
Die Analysen enthüllten: Unsere Brillen sind alles andere als unbelebt – im Gegenteil. Insgesamt entdeckten die Forscher 5.232 verschiedene Bakterienarten aus 665 verschiedenen Gattungen. Mit 57 Prozent am häufigsten waren dabei Vertreter der auf unserer Haut lebenden Gattung Propionibacterium, aber auch andere Haut- und Schleimhautbakterien wiesen die Forscher nach. Diese Mikroben gelangen typischerweise über die Gesichtshaut, die Hände oder beim Anhauchen der Gläser aus Mund und Nase auf die Brille.
Aber auch potenziell krankmachende Keime wiesen Fritz und ihre Kollegen auf den Brillen nach. Unter diesen waren Vertreter der Gattung Staphylococcus aber auch Haemophilus parainfluenzae – ein Bakterium, das Infektionen der Atemwege, aber auch Sepsis und Meningitis verursachen kann. Insgesamt waren von den 13 am häufigsten gefundenen Arten immerhin 80 Prozent potenziell pathogen, wie die Forscher berichten.
Gläser haben die größte Vielfalt
Überraschend jedoch: Entgegen den Erwartungen fanden sich die meisten Mikroben nicht auf den Nasenpolstern oder den Ohrstücken der Bügel, sondern auf den Gläsern. Dort war die bakterielle Artenvielfalt mit Abstand am höchsten, wie die Analysen ergaben. „Wir vermuten, dass Ohrstücke und Nasenpolster zwar leichter von Hautbakterien besiedelt werden, die Gläser dafür aber weiteren Mikrobenquellen wie der Luft und dem umgebenden Staub ausgesetzt sind“, sagen Fritz und ihre Kollegen.
Insgesamt enthüllt die Studie, dass Brillen durchaus wahre Keimschleudern sein können. Auch wenn die meisten mikrobiellen Brillenbewohner eher harmlos sind, könnten über die Brille durchaus krankmachende Bakterien auf die Haut oder in die Augen gelangen. „Weitere Studien sollten nun erforschen, inwieweit Brillen auch resistente Bakterien übertragen können“, so die Forscher. „Das wäre vor allem im klinischen Umfeld von hoher hygienischer Relevanz.“
Brille feucht putzen – das hilft auch gegen Corona
In jedem Falle empfehlen Fritz und ihre Kollegen, Brillen regelmäßig feucht zu putzen – das beseitigt einen Großteil der Bakterien, und kann auch gegen krankmachende Viren wie SASRS-CoV-2 helfen. „Eine feuchte Reinigung mit alkoholischen oder tensidhaltigen Brillenreinigungstüchern oder einfach mit Wasser und Spülmittel ist nach aktuellem Wissensstand auch eine sinnvolle Strategie zur Entfernung von Corona- und anderen Viren auf der Brille, nachdem man Kontakt mit hustenden Menschen gehabt hat“, erklärt Egert. (Scientific Reports, 2020; doi: 10.1038/s41598-020-62186-6)
Quelle: Hochschule Furtwangen