Gesteins-Poren als Brutstätte des Lebens: Die ersten zellähnlichen Gebilde könnten tief unter der Erdoberfläche entstanden sein – in den wassergefüllten Poren des Krustengesteins. Hinweise darauf liefert ein Experiment, in dem sich aus Lösungsmittel, Wasser und Peptiden von allein membranumhüllte Bläschen bildeten. Diese entwickelten sich weiter und nahmen mehr und mehr die Merkmale stabiler Zellhüllen an. Vereint mit replikationsfähigen Biomolekülen könnten sie erste Zellen ermöglicht haben.
Wo das erste Leben entstand, ist noch immer strittig. Weil die klassische „Ursuppe“ – der freie Urozean – wahrscheinlich nicht die passenden Bedingungen bot, favorisieren Forscher inzwischen geschütztere Lebensräume. Unter diesen sind hydrothermale Schlote, heiße Tümpel an Land oder auch wassergefüllte Poren in Vulkangestein, Ton oder Schichtsilikaten. Auch Einschlagskrater früher Asteroiden und Kometen werden diskutiert.
Bedingungen im Urgestein nachgebaut
Jetzt liefern Experimente von Christian Mayer und Ulrich Schreiber von der Universität Duisburg-Essen neue Hinweise darauf, dass die Vorstufen des Lebens nicht auf, sondern unter der Erde entstanden sein könnten. In ihrem Laborversuch hatten sie die räumlichen Bedingungen enger, wassergefüllter Spalten im Gestein nachgebildet. Dorthinein gaben sie ein zweiphasiges Lösemittelsystem aus Wasser und Kohlendioxid, sowie einige Peptide.
Diese Mischung setzten die Forscher den Bedingungen aus, wie sie vor rund 3,8 Milliarden Jahren in einem Kilometer Tiefe geherrscht haben könnten: Temperaturen von 40 bis 80°C und einem erhöhten Druck von 60 bis 80 bar. Im Rahmen des Experiments veränderten sie zudem regelmäßig alle 20 Minuten den Druck im System, ähnlich wie es in der Natur in Geysiren oder durch Gezeitenkräfte vorkommt. Dadurch wechselte die Dichte des Lösungsmittels in den Poren und Ritzen.
Zellmembranen entwickeln sich
Es zeigte sich: Schon nach kurzer Zeit bildeten sich in dem Gemisch Vesikel – kleine Bläschen mit einer Membran aus einer Doppelschicht von Fettsäuremolekülen. Eine solche Doppellipidmembran bildet bis heute die Grundlage aller Zellmembranen. Durch die Zyklen wechselnden Drucks wurden diese Vesikel immer wieder zerstört und bildeten sich neu, wie die Forscher beobachteten. Insgesamt 1.500 Vesikel-Generationen ließen sie so innerhalb von zwei Wochen entstehen und wieder zerfallen.
Das Interessante daran: Im Laufe der Zeit veränderten sich die Vesikel durch diese Behandlung. Sie begannen, aus dem Pool der Peptide in der Flüssigkeit Sequenzen aus zehn bis zwölf Aminosäuren clusterförmig in ihre Membran einzulagern. Parallel dazu nahm ihre Stabilität gegenüber Hitze und Druck zu – immer mehr Vesikel überstanden die Druckzyklen. Gleichzeitig erhöhte sich die Permeabilität der Membranschicht um die Bläschen.
Schon eine erste Art von Leben?
„Wir haben daraus geschlossen, dass die Peptid-Cluster in der Membran erste Kanalstrukturen gebildet haben. So können die Vesikel den osmotischen Druck ausgleichen“, erklärt Mayer. „Alle genannten Effekte sind Überlebensstrategien, wenn man so will.“ Peptide und Vesikel stabilisieren sich dabei gegenseitig. Wird ein solches Gebilde nach einigen Zyklen doch noch zerstört, so nehmen die nachfolgenden Generationen die Peptidstruktur auf und integrieren sie wiederum in ihre Membran.
Die Forscher sehen in diesem Ablauf bereits eine Art Evolution. Denn die Vesikel haben eine Funktion über den molekularen Pool weitergegeben und fortentwickelt. Geht man von einer sehr großzügigen Definition aus, könnte man dabei sogar schon von einer Art Leben sprechen. Denn manche Astrobiologen sehen ein System bereits als lebendig an, wenn es zu irgendeiner Art der Evolution fähig ist.
Durch Kombination zu ersten Zellen
Nach der biologischen Definition des Lebens fehlen zwar noch wesentliche Punkte der Checkliste, wie zum Beispiel Stoffwechsel, Vermehrung und Wachstum. Doch ihre Versuche haben zumindest einen Weg zu einer primitiven Vorstufe von Leben aufgezeigt, finden die Wissenschaftler. „Wie wir es im Zeitraffer simuliert haben, könnten vor Milliarden von Jahren Funktionen entstanden sein, die solche Vesikel stabil genug werden ließen, um zum Beispiel mit tektonischen Flüssigkeiten oder bei Geysir-Ausbrüchen aus der Tiefe an die Oberfläche zu kommen“, so Schreiber.
Einmal an der Oberfläche angelangt, könnten die Vesikel dann erste Biomoleküle aufgenommen haben und so die weiteren Schritte hin zum echten Leben absolviert haben. „Wir vermuten, dass diese Art der molekularen Evolution in der Tiefe parallel zu anderen Mechanismen oder zeitlich versetzt zu ihnen stattgefunden hat“, sagt Mayer. Nachdem die Vesikel an die Oberfläche gelangten, könnten sich diese Lebensvorstufen vereint haben – und aus unbelebten Komponenten entstand langsam ein lebendiger Organismus, eine erste Zelle.
Quelle: Universität Duisburg-Essen