Medizin

Feinstaub geht tief ins Herz

Metallische Feinstaubpartikel gelangen bis in die Mitochondrien der Herzzellen

Feinstaub
Feinstaub aus Verkehr und Industrie kann bis in Herz vordringen und dort die Mitochondrien schädigen. © ssuaphoto/ iStock.com

Folgenreiche Luftverschmutzung: Verkehrsbedingter Feinstaub kann bis tief ins Herz gelangen und dort die Mitochondrien der Herzzellen schädigen – die „Kraftwerke“ der Zellen. Das belegt eine Studie aus Mexico City. Dort wiesen die Forscher metallische Nanopartikel aus der verschmutzten Luft in den Herzzellen selbst eines Kleinkinds nach. Die eisenreichen Partikel hatten bereits zu Deformierungen und Schäden der Mitochondrien geführt.

Aus Auspuffabgasen, aber auch durch Reifen- und Bremsabrieb setzt der Verkehr ständig größere Mengen an Feinstaub frei. Diese wenige Nano- bis Mikrometer kleinen Partikel können beim Einatmen tief in die Lunge gelangen und gelten als Risikofaktor für Asthma, COPD, Lungenkrebs, aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wissenschaftler haben Nanopartikel aus Feinstaub zudem schon in der Plazenta und sogar im Gehirn von Menschen aus stark belasteten Wohngebieten nachgewiesen.

Nanopartikel
Eisenhaltige Nanopartikel im Herzgewebe. © Lancaster University

Nanopartikel in den Zellen des Herzens

Jetzt zeigt sich, dass der Feinstaub sogar bis tief ins Herz vordringen kann. Entdeckt haben dies Barbara Maher von der Lancaster University und ihre Kollegen bei der Untersuchung des Herzens von zwei Opfern von Verkehrsunfällen in Mexico City, einer Stadt mit sehr hoher Luftverschmutzung. Schon zuvor hatte das Team nachgewiesen, dass Nanopartikel aus der Luft mit dem Blut bis ins Herzgewebe transportiert werden. Bei Menschen aus stark belasteten Stadtgebieten kann das Herz demnach Milliarden solcher Nanopartikel enthalten.

Wo im Herzen diese Feinstaub-Partikel enden, haben die Forscher nun bei einem 26-Jährigen und einem dreijährigen Kleinkind herausgefunden. Als sie das Herzgewebe der beiden Toten mit dem Elektronenmikroskop untersuchten, entdeckten sie zahlreiche rundliche, 15 bis 40 Nanometer kleine Partikel, die sich vor allem in den Mitochondrien der Herzzellen angereichert hatten. Mitochondrien gelten als die „Kraftwerke“ unserer Zellen, weil sie dem Zellstoffwechsel Energie in Form des Moleküls ATP bereitstellen.

Anreicherung in den Mitochondrien

Nähere Analysen ergaben, dass es sich bei den Nanopartikeln in den Herz-Mitochondrien vorwiegend um metallische Teilchen mit einem hohen Anteil an Eisen, aber auch Aluminium und Titan handelte. „In Form, Größe und Zusammensetzung entsprechen diese in den Mitochondrien gefundenen eisenreichen Nanopartikel exakt denen, die in der Luftverschmutzung der Städte und Straßenränder so häufig und allgegenwärtig sind“, konstatieren Maher und ihr Team.

Ihrer Ansicht nach bestätigen diese Funde, dass Teile des Feinstaubs bis ins Herz gelangen und dort Zellschäden verursachen können. Denn in den Untersuchungen zeigte sich, dass viele der Herz-Mitochondrien, die metallische Nanopartikel enthielten, bereits deformiert waren und Membranschäden aufwiesen. Wegen der essenziellen Funktion der Mitochondrien können solche Schäden auch für die Herzzellen und das gesamte Gewebe schwerwiegende Folgen haben.

Langanhaltende Schäden

„Man weiß schon seit langem, dass hohen Feinstaubwerten ausgesetzte Menschen häufiger und schwerer unter Herzkrankheiten leiden“, sagt Maher. Der Nachweis der Nanopartikel in den Herz-Mitochondrien belege nun, auf welchem Wege dies geschehe. Bei den beiden Fällen aus Mexico City zeigte sich die Belastung und Schädigung des Herzgewebes unter anderem in einem bis zu neunfach erhöhten Spiegel des Proteins PrPc, das als Indikator für oxidativen Stress gilt, sowie in einem weiteren Biomarker für Zellstress, wie die Forscher berichten.

Vor allem Eisen und andere bioreaktive Metalle wie Aluminium stehen schon länger im Verdacht, die Bildung aggressiver Moleküle in den Zellen zu fördern. Metallpartikel im Gehirn könnten sogar an der Entstehung von Demenzerkrankungen beteiligt sein. „Dass wir solche Metallpartikel schon im Herz eines dreijährigen Kindes gefunden haben, deutet darauf hin, dass die Feinstaubbelastung schon früh erste Folgen hat, die sich dann aber erst später im Leben klinisch manifestieren“, erklärt Maher.

Vermeidbares Risiko

Nach Ansicht der Wissenschaftler unterstreichen ihre Ergebnisse die Notwendigkeit, den Ausstoß von Feinstaub durch Verkehr und Industrie zu verringern. „Die Belastung durch diese Form der Luftverschmutzung ist ein vermeidbarer Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, sagt Koautorin Lilian Calderon-Garciduenas von der University of Montana in Missoula. „Es ist daher dringen nötig, den PM2.5-Feinstaub zu reduzieren, aber auch zu überwachen und zu regulieren.“ (Environmental Research, 2020; doi: 10.1016/j.envres.2020.109816)

Quelle: Lancaster University

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