Die Luftfeuchte ist entscheidend: Wenn die Luft in Innenräumen zu trocken ist, steigt das Infektionsrisiko durch virenhaltige Aerosole, wie eine Metaanalyse jetzt bestätigt. Partikel mit SARS-CoV-2 und anderen Erregern können sich dann länger in der Raumluft halten. Gleichzeitig trocknen die Schleimhäute aus und machen sie anfälliger für die Infektion. Am besten sei daher eine Luftfeuchte zwischen 40 und 60 Prozent, sagen die Forscher.
Das Coronavirus SARS-CoV-2 wird vor allem durch die beim Atmen, Sprechen, Husten oder Niesen entstehenden Tröpfchen übertragen. Während die größeren Tröpfchen jedoch schnell zu Boden sinken, können Aerosole – winzige Schwebtröpfchen – im Extremfall über Stunden in der Luft bleiben und mehr als 1,50 Meter Abstand überbrücken. Solche Mikrotröpfchen sollen beim Ausbruch in der Fleischfabrik Tönnies eine Rolle gespielt haben, aber auch bei anderen Infektionsherden.
Luftfeuchte, Aerosole und Viren-Überleben
Welche Rolle die Luftfeuchtigkeit für die Haltbarkeit der Aerosole und ihrer Virenfracht spielt, haben nun Ajit Ahlawat vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig und seine Kollegen in einer Metaanalyse untersucht. „In der Aerosolforschung ist schon lange bekannt, dass die Luftfeuchtigkeit eine große Rolle spielt: Je feuchter die Luft ist, umso mehr Wasser haftet an den Partikeln und umso schneller können sie wachsen“, erklärt Ahlawat.
Für ihre Studie werteten die Forscher die Ergebnisse von zehn internationalen Studien aus, die zwischen 2007 und 2020 den Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf das Überleben, die Ausbreitung und Übertragung von Influenzaviren sowie den Coronaviren SARS-CoV-1, MERS und SARS-CoV-2 untersucht haben.
In trockener Luft schweben Aerosole länger
Das Ergebnis: Eine geringe Luftfeuchtigkeit fördert die Überlebensdauer von Aerosolen und ihrer Virenfracht. Zwar trocknen die Schwebtröpfchen schneller aus und verlieren damit an Volumen. Genau das aber lässt sie länger in der Luft schweben: „Liegt die relative Luftfeuchtigkeit der Raumluft unter 40 Prozent, dann nehmen die von Infizierten ausgestoßenen Partikel weniger Wasser auf, bleiben leichter, fliegen weiter durch den Raum und werden eher von Gesunden eingeatmet“, erklärt Ahlawat.
Je trockener die Raumluft ist, desto höher ist demnach das Risiko, dass virenhaltige Aerosole sich lange halten. „Bei einer relativen Luftfeuchte von weniger als 50 Prozent ist daher auch das Risiko für eine Infektion mit SARS-CoV-2 über die Raumluft höher als in Räumen mit hoher Luftfeuchtigkeit“, so die Forscher.
Viren überleben besser in schnelltrocknenden Tröpfchen
Die zweite Erkenntnis: Obwohl die Aerosol-Tröpfchen in trockener Luft komplett austrocknen können, scheint das Viren wie SARS-CoV-2 wenig zu schaden. „Jüngst hat eine Studie ergeben, dass die Viren unterhalb von 33 Prozent relativer Luftfeuchte und bei 100 Prozent gut überleben, während ihre Überlebensdauer bei Luftfeuchten dazwischen stark verringert war“, so die Forscher.
Der Grund dafür liegt im Tempo der Austrocknung: Geschieht sie schnell, können sich die im Wassertröpfchen gelösten Salze nicht so stark aufkonzentrieren, dass sie dem Virus schaden – das Wasser ist verdunstet, bevor sie ihre Wirkung enthalten können. Beim langsamen Verdunsten in feuchter Luft dagegen erreichen die gelösten Salze Konzentrationen, die das Virus nicht überstehen kann.
Trockenheit behindert die Immunabwehr
Ein dritter Faktor ist die Wirkung der Luftfeuchtigkeit auf unsere Atemwege: „Beim Einatmen von trockener Luft wird der Schleim in unserer Nase und im Rachen trockener und zäher“, erklären Ahlawat und seine Kollegen. „Das verringert die Fähigkeit der Schleimhauthärchen, virale Aerosole abzutransportieren.“ Für das Immunsystem wird es dadurch schwieriger, Erreger wie das Coronavirus oder Influenzaviren abzuwehren.
„Unsere Ohren, Nase und der Rachen sind daher bei hoher Luftfeuchtigkeit effektiver in der Virenabwehr, als wenn die Raumluft trocken ist“, sagen die Forscher. Vom Coronavirus SARS-CoV-2 ist zudem bekannt, dass es gerade die Zellen der Nasenschleimhaut als Haupteinfallstor nutzt. Wenn sie wegen ausgetrocknetem Schleim anfälliger werden, steigt daher auch die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Ansteckung.
Zwischen 40 und 60 Prozent relative Luftfeuchte ist optimal
Die Empfehlung der Wissenschaftler lautet deshalb: In allen Innenräumen sollte die relative Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 60 Prozent liegen. „Eine Luftfeuchtigkeit von mindestens 40 Prozent in öffentlichen Gebäuden und im Nahverkehr würde nicht nur die Auswirkungen von Covid-19 reduzieren, sondern auch die von anderen Viruserkrankungen wie beispielsweise der saisonalen Grippe“, sagt Koautor Sumit Kumar Mishra vom Nationalen Physiklabor CSIR in Neu-Delhi.
Besonders wichtig sei dies im kommenden Herbst und Winter, wenn die Heizungsluft die Räume sehr schnell austrocknen lässt: „Das Erwärmen der Frischluft sorgt auch dafür, dass diese trocknet. In kalten und gemäßigten Klimazonen herrscht daher in Innenräumen während der Heizsaison meist ein sehr trockenes Raumklima. Dies könnte die Ausbreitung der Coronaviren fördern“, warnt Ahlawats Kollege Alfred Wiedensohler.
Länder in tropischen und heißen Klimazonen sollten dagegen darauf achten, dass Innenräume durch Klimaanlagen nicht extrem herunterkühlt werden. Denn auch das trocknet die Feuchtigkeit aus der Luft und den Partikeln. (Aerosol Air Quality Research, in press, doi: 10.4209/aaqr.2020.06.0302)
Quelle: Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS)