Pflanzen als Heilmittel: Forscher haben einen neuen entzündungshemmenden Pflanzenstoff identifiziert, der zum Beispiel in Heidelbeeren vorkommt. Diese polyphenolische Verbindung namens Pterostilben hemmt den irrtümlichen Angriff des Immunsystems auf eigenen Gewebe und könnte sich daher für die Behandlung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa eignen.
Pflanzliche Lebensmittel sind als Fitmacher bekannt. Denn sie enthalten häufig besonders viele Antioxidantien und andere gesunde Inhaltsstoffe. So sollen Nüsse gegen Darmkrebs schützen und Granatäpfel die Muskeln vor der Alterung bewahren. Studien wiesen außerdem nach, dass ein Inhaltsstoff in roten Zwiebeln ein effektiver Krebskiller ist.
Blaubeeren, Trauben und Rotkohl enthalten eine hohe Konzentration an roten und blauen Pflanzenfarbstoffen, denen zahlreiche gesundheitsfördernde Effekte zugeschrieben werden. Diese sogenannten Anthocyane sollen helfen, Gedächtnisprobleme bei beginnender Demenz zu lindern und können möglicherweise auch die Behandlung von Parkinson und Depressionen unterstützen. In Trauben und Beeren enthaltene Polyphenole wie Resveratrol wirken zudem entzündungshemmend.
Pflanzenhemmstoff für Colitis ulcerosa und Co gesucht
An diesem Punkt setzt die Studie von Takuya Yashiro von der Universität Tokio und seinen Kollegen an: „Resveratrol, ein Polyphenol, war bekannt dafür, dass es ausgeprägte immunmodulatorische und entzündungshemmende Wirkungen auf Tiermodelle von Colitis ulcerosa hat“, erklärt Yashiro. „Deshalb wir untersucht, ob andere Pflanzenstoffe, die Resveratrol strukturell ähnlich sind, sich zur Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen eignen.“
Bei Patienten mit Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa wachsen an der Innenwand des Magen-Darm-Trakts Geschwüre, die durch eine chronische Entzündung entstehen. Auslöser hierfür ist eine überschießende Immunantwort im Körper: Die dendritischen Zellen der Immunabwehr produzieren große Mengen an entzündungsfördernden Botenstoffen, den Cytokinen. Außerdem aktivieren sie T-Zellen, die daraufhin irrtümlich das körpereigene Gewebe angreifen und schädigen.
Auf der Suche nach einem pflanzlichen Mittel, das diese überschießende Reaktion hemmen kann, testeten die Forscher die Wirkung von dem Resveratrol ähnlichen Polyphenolen auf die von dendritischen Zellen geförderte T-Zellvermehrung.
Polyphenol aus der Heidelbeere wirkt
Mit Erfolg: Bei den Tests identifizierten die Wissenschaftler eine polyphenolische Verbindung, das sogenannte Pterostilben (PSB), das eine stärkere immunsuppressive Wirkung zeigte als die anderen Teststoffe. Es handelt sich dabei um ein Polyphenol, das zum Beispiel in Heidelbeeren vorkommt. Weitere Tests ergaben, dass das Pterostilben die T-Zellen daran hindert, sich in bestimmte Subtypen zu differenzieren, die die Immunantwort verstärken.
Gleichzeitig steigerte sich durch das Pterostilben die Entwicklung regulatorischer T-Zellen – ein Subtyp dieser Abwehrzellen, von dem bekannt ist, dass er Entzündungen hemmt. Die Forscher wiesen außerdem nach, dass das Heidelbeer-Polyphenol die entzündungsfördernde Cytokinproduktion der dendritischen Zellen hemmt. Dabei schwächen die Pflanzenstoffe die DNA-Bindungsaktivität eines entscheidenden Transkriptionsfaktors ab, der sonst die Freisetzung der Cytokin-Moleküle begünstigt.
Möglicher Einsatz gegen entzündliche Darmerkrankungen
Um zu überprüfen, ob sich die Wirkungen des Pterostilbens auch in Lebewesen zeigen, verabreichten die Forscher diese Pflanzenstoffe Mäusen, die an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung litten. Dabei stellten sie fest, dass die Einnahme dieses Polyphenols die Symptome der Krankheit linderte.
Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte der Pflanzenstoff Pterostilben sich als ein vielversprechendes Mittel zur Behandlung von chronischen Entzündungen im Darm erweisen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Pterostilben eine starke immunsuppressive Eigenschaft besitzt, was den Weg für eine neue, natürliche Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen ebnet“, fasst Yashiro zusammen. Außerdem ergeben sich mit diesen Erkenntnissen neue Möglichkeiten auch für die Behandlung von anderen Entzündungskrankheiten.
Ein großer Vorteil: Das Experiment mit den Mäusen zeigte, dass bereits eine orale Einnahme der Pflanzenstoffe ausreicht, um die Symptome der Krankheit zu mildern. Da der Körper die Stoffe so leicht aufnimmt, könnten sie ideal als Medikament eingesetzt werden. (The FASEB Journal, 2020; doi: 10.1096/fj.202001502R)
Quelle: Tokyo University of Science