Auch Tiere musizieren: Lauscht man im Frühjahr den Liedern mancher Vögel, überraschen die Gesangskünste der Flugtiere mit ihren unterschiedlichen Rhythmen und Lautstärken. Doch sie dienen nicht der Unterhaltung, sondern übermitteln wichtige Botschaften. Aber was genau steckt dahinter?
Ein spezielles Organ
Um singen zu können, nutzen Vögel ein ganz spezielles Stimmorgan. Vogelarten erzeugen ihre Laute nämlich nicht mit dem Kehlkopf, sondern durch ein an der Verzweigung der Bronchien liegendes Stimmorgan, die Syrinx. Zwischen mineralisierten Knorpelringen sitzen dort dünne Häutchen, die beim Ausatmen schwingen und die Töne erzeugen.
Den ältesten Beleg für dieses Organ haben Forscher der University of Texas in Austin in der Antarktis entdeckt – bei einem 66 Millionen Jahre alten Entenvogel. Untersuchungen gefiederter Dinosaurier ergaben, dass sich dieses Stimmorgan erst entwickelte als es echte Vögel gab, berichten die Forscher. Im Gegensatz zu dem Entenvogel konnten die gefiederten Dinosaurier-Zeitgenossen noch keine typischen Vogelrufe ausstoßen.
Mit dem Gesang prahlen
Aber warum entwickelte sich dieses Stimmorgan? Viele Vögel nutzen ihren Gesang, um ihr Revier zu markieren. So zeigen Sperlingsvögel (Passeriformes) ein umso ausgeprägteres Territorialverhalten, je gesangsbegabter sie sind: Je komplexer sie singen, desto intensiver verteidigen sie auch ihr Revier. Singvögel wie die Nachtigall oder die Singdrossel liefern dabei sehr variationsreiche, strophenartig aufgebaute Stücke.
Andererseits werben Vogelmännchen mithilfe ihrer Stimme auch um Partnerinnen. Damit wird der Gesang überlebenswichtig, denn anhand der Singstimme entscheiden die Vogelweibchen, mit wem sie sich fortpflanzen. Sie erhalten beim Zuhören Hinweise auf die Leistungsfähigkeit und den Gesundheitszustand des Bewerbers. Beobachtungen zufolge verringert sich die Gesangshäufigkeit um etwa 90 Prozent, sobald sich ein Männchen und ein Weibchen gefunden haben. Isoliert aufwachsende männliche Singvögel singen ebenfalls, jedoch oft mit deutlich veränderten Mustern.
Singen schweißt zusammen
Auch das Singen im Duett oder in Chören spielt eine wichtige, evolutionäre Rolle: Der gemeinsame Wechselgesang stärkt Wissenschaftlern zufolge den Zusammenhalt von Tierpaaren und Gruppen. Die Männchen und Weibchen vieler Vogelarten – insbesondere in den Tropen – verbringen das ganze Jahr oder sogar das ganze Leben zusammen. In dieser Zeit üben sie komplexe Gesänge.
Beispielsweise singen die Fraser-Zaunkönige (Pheugopedius euophrys) abwechselnd, synchron und bis zu vier Strophen pro Lied – und haben rund 20 Strophen im Repertoire. Manche Klänge ähneln sogar menschlichen Musikstücken. Mit ihrem Chor demonstrieren die Zaunkönige ihre Einheit und schüchtern Konkurrenten ein.Lebenslang im Duett
Noch offensichtlicher als bei den Vögeln hängen Gesang und Sozialstruktur in der Affenwelt zusammen – denn Singen ist nicht nur in der Tierklasse der Vögel bekannt. Etwa zwölf Prozent der Affen musizieren und stimmen Duette an. „Die Evolution des Gesangs und des Duettierens geht bei den Primaten mit der Evolution der Monogamie einher“, konstatiert Thomas Geissmann vom Anthropologischen Institut der Universität Zürich. Sämtliche singenden Affenarten sind monogam: von den Gibbons in Südostasien bis zu den Koboldmakis aus Indonesien. Damit pflegen die Tiere ihre innige, lebenslange Zweierbeziehung.
Der Affengesang besteht vor allem aus Bellen, Schreien und Hecheln. Männchen und Weibchen verfügen dabei über das gleiche Repertoire. Die Darbietungen erfolgen regelmäßig und oft mehrfach im Morgengrauen an der Reviergrenze. „Damit will das Paar gleich bei Tagesanbruch klarstellen: Wir sind noch da und bewachen unser Areal“, erklärt der Forscher. „Einen Partner zu verlassen scheint nicht sehr attraktiv, weil Duette neuer Paare weithin hörbar schlecht koordiniert sind“, so Geissmann weiter. Und wer beim Zwiegesang patzt, müsse um Partner oder Revier fürchten.
Gesänge dieser Art gibt es jedoch nicht nur auf dem Land…