Verkehrte Welt: Auch auf dem Zwergplaneten Pluto gibt es schneebedeckte Berggipfel. Doch sie entstehen genau umgekehrt wie ihre irdischen Pendants, wie nun eine Studie enthüllt. Statt aus aufsteigenden Wolken auszuschneien, gefriert der Methanschnee des Pluto aus von oben kommenden Fallwinden aus. Die Gasbewegungen an Gebirgen sind damit auf dem Zwergplaneten quasi auf den Kopf gestellt, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.
Der Zwergplanet Pluto hat trotz seiner eisigen Temperaturen einige überraschend erdähnliche Merkmale: Auf ihm gibt es fließende Gletscher, Dünen, aktive Eisvulkane und vielleicht sogar einen subglazialen Ozean. Aufnahmen der NASA-Raumsonde New Horizons zeigen zudem Gebirge, die ähnlich wie ihre irdischen Pendants schneebedeckte Gipfel besitzen. Dieser Schnee auf den bis zu 3.500 Meter hohen Bergen der Pigafetta Montes besteht allerdings nicht aus gefrorenem Wasser, sondern aus Methan.
Rätsel um Plutos schneebedeckte Gipfel
Aber wie kommt dieser Methanschnee zustande? Auf der Erde ist der Mechanismus klar: Weil die Luft mit zunehmender Höhe abkühlt, kondensiert die Feuchtigkeit in der am Hang aufsteigenden Luft aus – es bilden sich Wolken. Diese schneien sich dann in der Gipfelregion ab und wegen der kälteren Luft und Oberfläche bleibt der Schnee dort liegen.
Doch auf dem Pluto gibt es eine solche adiabatische Abkühlung mit steigender Höhe nicht – im Gegenteil: „Beobachtungen und Modelle zeigen, dass es auf dem Pluto einen starken Anstieg der atmosphärischen Temperaturen mit der Höhe gibt“, erklären Tanguy Bertrand vom Ames Research Center der NASA und seine Kollegen. Ursache ist das Methan in der Pluto-Gashülle, das das schwache Sonnenlicht absorbiert und sich dabei erwärmt.
Abwinde statt Aufwinde
Das jedoch weckt die Frage, warum dann trotzdem nur die Berggipfel des Pluto von Methanfrost bedeckt sind. Um das herauszufinden, haben Bertrand und sein Team die Klimabedingungen auf dem Pluto mithilfe eines auf Messdaten gestützten Modells nachgebildet. Dieses bildet den Austausch flüchtiger Verbindungen zwischen der Landschaft und Atmosphäre, aber auch die in der Atmosphäre ablaufenden Prozesse nach.
Das Ergebnis: Der Schnee auf den äquatorialen Gebirgen des Pluto entsteht ganz ohne Wolken und Aufwinde. Stattdessen bildet sich dieser Methanfrost durch von oben kommende Strömungen. Diese transportieren methanreiches Gas zu den Berggipfeln hinab, wo dieses abkühlt und als Frost ausfällt. Der Schnee auf den Pluto-Gebirgen wird demnach von Abwinden statt von Aufwinden erzeugt.
„Es ist bemerkenswert, dass zwei so ähnliche Landschaften auf der Erde und dem Pluto von zwei so verschiedenen Prozessen hervorgerufen werden“, sagt Bertrand.
Höhenströmung bringt Methan zum Äquator
Diese Unterschiede erklären auch, warum die schneebedeckten Gebirgen auf dem Pluto ganz anders verteilt sind als auf der Erde: Nur die Gebirge und Kraterränder in Äquatornähe haben auf dem Zwergplaneten solche Eiskappen – an den Polen fehlt dieser Höhenfrost aus Methan. Die Ursache dafür ist die ungewöhnliche atmosphärischen Zirkulation auf dem Pluto, wie die Forscher erklären.
Messdaten und Modelle zeigen, dass die Pluto-Winde nicht nur „falschherum“ wehen – gegen seine Rotationsrichtung. Die großflächige Verdunstung von Stickstoff aus dem hellen Herz des Zwergplaneten – der Region Sputnik Planitia – treibt auch eine Zirkulationszelle an, die Methangas im Norden aufsteigen lässt und in Äquatornähe in einer Höhenströmung konzentriert. Diese Höhenströmung ist es, die das Methan zu den Berggipfeln trägt und es dort ausfrieren lässt.
„Die von New Horizons enthüllten Landschaften des Pluto sind erstaunlich und lassen uns immer wieder dazulernen“, sagt Bertrand. (Nature Communications, 2020; doi: 10.1038/s41467-020-18845-3)
Quelle: NASA, CNRS