Biologie

Warum stranden Killerwale?

Mensch hat häufig Mitschuld an Orca-Walstrandungen - direkt und indirekt

Walstrandung
Dieser Orca ist 2016 tot an der kanadischen Küste gestrandet. Was diese Wale tötet, ahben nun Forscher näher untersucht. © Paul Cottrell / Fisheries and Oceans Canada

Mysteriöse Todesfälle: Die Untersuchung von 53 an der nordamerikanischen Pazifikküste gestrandeten Orcas gibt neue Einblicke in die Ursachen von Walstrandungen. Demnach sterben die Tiere oft an Unterernährung, Infektionen oder Verletzungen. Für viele Todesfälle ist jedoch der Mensch zumindest mitverantwortlich – indirekt durch Nahrungskonkurrenz, Lärm oder Meeresverschmutzung, aber auch direkt durch die Kollision von Schiffen mit den Meeressäugern.

Jahr für Jahr stranden zahlreiche Wale. Die Ursachen sind oft noch ein Rätsel: Warum begeben sich die riesigen Meeressäuger, die sonst zielsicher tausende Kilometer durch die Ozeane der Welt navigieren, in gefährliche Küstengewässer? Handelte es sich um gesunde Tiere, die von den örtlichen Gegebenheiten überrascht wurden, oder waren die Giganten bereits geschwächt oder gar tot, als sie an Land gespült wurden? Und was hat ihren schlechten Zustand verursacht?

Orca
Stark abgemagertes Orca-Weibchen an der Küste von Hawaii. © Raverty et al, 2020

Frühere Studien haben bereits nachgewiesen, dass die Meeressäuger teils massiv durch die von Menschen verursachte Verschmutzung der Meere belastet werden. Auch gegenüber Lärm – etwa von Schiffen oder militärischen Anlagen – ist das feine Gehör der Wale sehr empfindlich.

Gefahr durch den Menschen

Forscher um Steven Raverty vom Ministry for Agriculture in British Columbia haben nun systematisch die Todesursachen von 53 Orcas erhoben, die zwischen 2004 und 2013 an der Pazifikküste der USA und Kanadas sowie vor Haiti gestrandet sind. Für diese Tiere werteten sie die Ergebnisse pathologischer Untersuchungen aus, darunter Größe, Gewicht, Ernährungszustand, Populationszugehörigkeit und Altersklasse des Individuums, sowie in einigen Fällen auch Verletzungen, bakterielle Befunde und weitere Auffälligkeiten.

Anhand dieser Daten konnten Raverty und sein Team für 22 der gestrandeten Wale eine Todesursache feststellen. Sowohl für Walkälber und -jugendliche als auch für erwachsene Wale stellen demnach menschliche Aktivitäten eine ernsthafte Gefahr dar. Ein Kalb beispielsweise hatte einen Angelhaken verschluckt und war schließlich an der entzündeten Wunde verstorben. Mehrere ausgewachsene Tiere wiesen Verletzungen auf, die auf eine letztlich tödliche Kollision mit einem Schiff hindeuten.

Unterernährung als Todesursache

Bei mehreren weiteren Tieren identifizierten die Forscher Unterernährung als wahrscheinliche Todesursache. Die Gründe für den schlechten Ernährungszustand können vielfältig sein. Bei einem Kalb lag eine angeborene Deformation der Schnauze vor, die ihm die Nahrungsaufnahme erschwerte. Bei anderen Tieren könnten Infektionskrankheiten, aber auch besondere Lebenssituationen wie Schwangerschaft und Stillzeit zur Abmagerung geführt haben.

Auch intensiver Fischfang durch den Menschen dürfte dazu beitragen, dass die Wale in manchen Gebieten weniger Nahrung finden. Zwei der in der Studie untersuchten Wale hatten sich während ihrer Nahrungssuche offenbar in zu flache Gewässer begeben und wurden von der Ebbe überrascht. Zusätzlich berichten die Forscher von drei weiteren Walen, die bereits 2011 – also vor Beginn der systematischen Erhebungen – zu Tode kamen, nachdem sie in einen Fluss in Alaska geschwommen waren.

Grundlage für zukünftigen Schutz der Wale

Den Forschern zufolge ist ihre Erhebung wichtig, um zukünftige Schutzbemühungen zu intensivieren – gerade, wenn es um gefährdete Populationen geht, die in Gebieten leben, die auch von Menschen stark genutzt werden. „Diese Studie legt die Grundlage, um Sterblichkeit und Gesundheitsprobleme der Wale besser zu verstehen“, fassen sie zusammen. „Die Ergebnisse zeigen, dass menschliche Aktivitäten einen größeren Einfluss auf die Orcas im nördlichen Pazifik haben als bisher angenommen.“

„Niemand denkt gerne daran, dass wir den Tieren direkt schaden“ sagt Mitautor Joseph Gaydos von der UC Davis School of Veterinary Medicine in Washington. „Aber es wichtig, sich bewusst zu machen, dass wir sie nicht nur indirekt schädigen, etwa weil wir einen Mangel an Lachsen verursachen und für Schiffslärm und Umweltgifte verantwortlich sind.“

Auch direkte menschliche Einwirkungen töten Wale, etwa wenn sie Fischhaken verschlucken oder mit Schiffen kollidieren. „Dass Menschen direkt für den Tod von Orcas aller Altersklassen verantwortlich sind, ist eindeutig“, so Gaydos. „Das zeigt: Wir können es besser machen.“ (PLOS ONE, 2020, doi: 10.1371/journal.pone.0242505)

Quelle: PLOS, University of California – Davis

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Wale & Delfine - Arten, Lebensräume, Verhalten von Rüdiger Wandrey

Faszination Meeresforschung - Ein ökologisches Lesebuch von Gotthilf und Irmtraut Hempel sowie Sigrid Schiel

Top-Clicks der Woche