Schleichende Gefahr: 1,6 Milliarden Menschen sind künftig von einer fortschreitenden Landabsenkung durch sinkende Grundwasserpegel betroffen, das entspricht 19 Prozent der Weltbevölkerung, wie eine Studie enthüllt. Besonders stark sinkt der Untergrund demnach in vielen dicht besiedelten Regionen Asiens, darunter Teilen Chinas, in Bangladesch, Indonesien und auf den Philippinen. Aber auch die Niederlande, Italien und Ägypten sind betroffen.
Ob die Küste Kaliforniens, die dichtbesiedelten Flussdeltas Asiens oder auch die Niederlande: Viele flache, in Fluss- oder Meeresnähe liegende Landgebiete sind akut von einer Bodenabsenkung betroffen. Hauptursache dieser schleichenden Subsidenz ist neben der Bodenbeschaffenheit vor allem die übermäßige Entnahme von Grundwasser und anderen unterirdischen Ressourcen. Die Folgen sind eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Überschwemmungen, aber auch Schäden an Gebäuden und wichtigen Infrastrukturen.
Tokio ist um vier Meter gesunken
Welche Gebiete und Länder weltweit am meisten von einer Landabsenkung durch fallende Grundwasserpegel betroffen sind, haben nun Gerardo Herrera-Garcia vom Geologischen Dienst Spaniens und seine Kollegen näher untersucht. Dafür werteten sie Daten zahlreicher dazu in den letzten Jahren veröffentlichten Publikationen und Kartierungen aus. Ihre Resultate belegen, dass rund 200 Gebiete in 34 Ländern besonders stark von einer grundwasserbedingten Subsidenz betroffen sind.
Dazu gehören viele Großstädte in China, die vorwiegend in den großen Sedimentbecken dieses Landes stehen, aber auch andere Regionen Asiens: „In Indonesien ist die Küstenabsenkung in Jakarta so schwerwiegend, dass die Regierungsbehörden planen, die Hauptstadt auf die Insel Borneo zu verlegen“, berichten die Forscher. Tokio sank im 20. Jahrhundert um vier Meter ab, bevor die Regierung mit strengen Wasserentnahmeregelungen gegensteuerte.
30 Zentimeter pro Jahr in Mexiko
Aber auch andernorts ist die Landabsenkung bedrohlich stark: „Im Iran liegen einige der am schnellsten absinkenden Städte der Welt, sie sinken um 25 Zentimeter pro Jahr“, so Herrera und sein Team. Noch stärker ist die Subsidenz nur in Teilen Mexiko, wo sie bis zu 30 Zentimeter pro Jahr erreicht. In Europa gehören die Niederlande und die Po-Ebene Italiens zu den besonders betroffenen Regionen – rund 30 Prozent der italienischen Bevölkerung leben aktuell in dieser Subsidenzzone.
Schon jetzt betrifft die Landabsenkung überproportional Gebiete, die dicht besiedelt und ohnehin schon von Hochwassern und Sturmfluten gefährdet sind, wie die Wissenschaftler erklären. Welche Gebiete bis zum Jahr 2040 besonders durch die Subsidenz gefährdet sein werden, haben Herrera und seine Kollegen zusätzlich mithilfe eines Modells ermittelt.
1,6 Milliarden Menschen betroffen
Das Ergebnis: Bis zum Jahr 2040 könnten 1,6 Milliarden Menschen – 19 Prozent der Weltbevölkerung – von einer Landabsenkung betroffen sein. Von diesen wären dann rund 635 Millionen akut von einer Überschwemmung durch Fluss- oder Meereshochwasser gefährdet. Von den rund 7.343 Megacities und großen Ballungsräumen der Erde liegen 22 Prozent – 1.596 Städte – in Zonen mit aktueller und künftiger Landabsenkung. In Ländern wie den Philippinen, Bangladesch, Mexiko, Indonesien, den Niederlanden oder dem Irak könnte dadurch der Anteil der betroffenen Bevölkerung um mehr als 80 Prozent ansteigen, wie die Forscher ermittelten.
Überproportional stark betroffen ist davon die Bevölkerung ärmerer Länder: Sie stellen 54 Prozent der Menschen, die in Gebieten mit starker Subsidenz leben. „Es ist zu erwarten, dass diese Länder nur eine eingeschränkte Fähigkeit haben, die nötigen politischen, regulatorischen und sozioökonomischen Gegenmaßnahmen umzusetzen“, so Herrera und sein Team. In Ländern mit hohem Einkommen leben dagegen nur elf Prozent der weltweit von Landabsenkung betroffenen Bevölkerung.
„Angesichts der Tatsache, dass die Subsidenz weltweit 635 Millionen Menschen in flutgefährdeten Gebieten treffen könnte, muss dies verstärkt in Hochwasser-Risikoanalysen und die Planung von Gegenmaßnahmen eingehen“, konstatieren die Wissenschaftler. (Science, 2020; doi: 10.1126/science.abb8549)
Quelle: Science