Physik

Kleinste Gravitationskraft gemessen

Physiker ermitteln erstmals Anziehung zwischen Objekten von weniger als 100 Milligramm

Goldkugeln
Forscher haben erstmals die schwache gravitative Anziehungskraft zwischen diesen beiden Goldkugeln von zwei Millimetern Durchmesser gemessen. © Tobias Westphal/ Universität Wien

Subtile Anziehung: Forscher ist es erstmals gelungen, die Gravitationskraft zwischen sehr kleinen Objekten zu messen. In der Miniaturvariante eines historischen Experiments nutzten sie dafür zwei Millimeter kleine Goldkugeln an einem Pendel als Testmassen. Das Ergebnis bestätigt, dass Newtons Gravitationskonstante auch im Mikrobereich gilt und messbar ist, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“. Gleichzeitig eröffnet die Methode neue Chancen, der Natur der Dunklen Energie auf die Spur zu kommen.

Die Gravitation ist für unser Universum prägend – und trotzdem schwer fassbar. Denn diese zwischen Massen wirkende Anziehung ist die schwächste aller bekannten Grundkräfte und die einzige, für die bisher kein Vermittlerteilchen gefunden wurde. Albert Einstein beschrieb ihre Wirkung als Krümmung der Raumzeit, aber auch er scheiterte bei dem Versuch, die Gravitation mit den anderen Grundkräften in einer Theorie zu vereinen.

Hinzu kommt: Weil die Gravitationskraft mit abnehmender Masse rapide schwächer wird, ist sie bei sehr kleinen Objekten schwer zu messen. Doch gerade im Mikromaßstab könnten sich wichtige Antworten auf einige der großen Fragen der Physik verbergen. Winzige Abweichungen der Gravitationskraft zwischen Mikroobjekten könnten beispielsweise Hinweise auf die Natur der Dunklen Materie und der Dunklen Energie liefern – und so deren Geheimnis enthüllen.

Historisches Experiment als Vorbild

Jetzt ist Forschern um Tobias Westphal vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation in Wien ein wichtiger Schritt hin zu solchen Messungen gelungen. Sie haben erstmals die Gravitationskraft zwischen Massen von weniger als 100 Milligramm gemessen. Möglich wurde dies durch die Miniaturversion eines berühmten Experiments des britischen Forschers Henry Cavendish.

Dieser hatte 1797 eine Pendelvorrichtung konstruiert, durch die er die Gravitationswirkung einer rund 30 Zentimeter großen und 160 Kilogramm schweren Bleikugel messen konnte. Das Kernstück der Apparatur bildete dabei ein Torsionspendel – ein dünner, waagerecht aufgehängter Stab mit Gewichten an beiden Enden. Wenn nun eines dieser Gewichte in den Einflussbereich der Bleikugel kam, wurde sie leicht angezogen und diese Bewegung übertrug sich über den Stab auf das andere Gewicht. Dessen Auslenkung ließ sich messen.

Goldkügelchen im Test

Westphal und seine Kollegen haben dieses Prinzip aufgegriffen und miniaturisiert. Als gravitative Masse dient ihnen eine zwei Millimeter kleine Goldkugel mit einem Gewicht von 90 Milligramm. Das Torsionspendel besteht aus einem vier Zentimeter langen und einem halben Millimeter dicken Glasstab, der an einer Glasfaser mit einem Durchmesser von ein paar Tausendstel Millimeter aufgehängt ist. An den Enden des Stabs sind jeweils ähnlich große Goldkugeln befestigt.

Für die eigentliche Messung wird die gravitative Masse zu einer der beiden Endkugeln des Pendels hinbewegt und wieder entfernt. „Wir bewegen die Goldkugel vor und zurück und erzeugen so ein Gravitationsfeld, das sich mit der Zeit ändert“, erklärt Koautor Jeremias Pfaff von der Universität Wien. „Dadurch schwingt auch das Torsionspendel mit dieser bestimmten Anregungsfrequenz.“ Diese Bewegung von nur einigen Millionstel Millimetern kann mithilfe eines Lasers ausgelesen werden und aus ihr lässt sich die Gravitationskraft zwischen den Kugeln ermitteln.

Um Störeinflüsse fernzuhalten, fand das Experiment in einer Vakuumkammer statt, der Aufbau stand zudem auf weichen Gummifüßen, die Erschütterungen von außen dämpften. Andere Effekte wie die elektrostatische Anziehung zwischen den Goldkugeln unterdrückten die Forscher durch eine leitende Abschirmung zwischen den Goldmassen.

Standardmodell bestätigt

Durch diesen experimentellen Aufbau gelang es dem Team erstmals, das Schwerefeld eines Objekts zu bestimmen, das nur die Masse eines Marienkäfers hat. Die Messungen ergaben einen Wert von 6,04 x 10-11 pro Kubikmeter pro Kilogramm und Quadratsekunde. Dieser Wert liegt nahe an dem offiziellen Referenzwert für die Newtonsche Konstante, wie die Physiker berichten. Die Abweichung betrage weniger als zehn Prozent.

„Unsere Ergebnisse belegen damit, dass wir die Gravitation einer einzelnen, kleine Quellmasse isolieren und messen können, indem wir Störeinflüsse auf unter zehn Prozent drücken“, so Westphal und seine Kollegen. Zudem bestätigen die Resultate, dass das Standardmodell der Physik und auch Einsteins Gleichungen stimmen. Das Experiment eröffnet nun neue Möglichkeiten, die Gravitationsgesetze auch auf bisher unerreicht kleinen Skalen zu überprüfen. (Nature, 2021; doi: 10.1038/s41586-021-03250-7)

Quelle: Universität Wien

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