Gibt es bald Holografie für alle? Forscher haben den Rechenaufwand für digitale Hologramme drastisch verringert. Dadurch erlaubt ihr auf künstlicher Intelligenz basierende Methode die Erzeugung von Hologrammen nahezu in Echtzeit. Zudem benötigt die Technik so wenig Rechenleistung, dass sie sogar auf Smartphones läuft, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“ berichten. Das könnte digitale Holografie bald alltagstauglich machen.
Anders als ein zweidimensionales Bild vermitteln Hologramme auch die räumliche Tiefe eines Objekts. Analoge Hologramme erreichen dies, indem die Tiefeninformation in der Phase des abtastenden Lichtstrahls kodiert wird. Durch Abgleich mit einem Referenzstrahl und Interferenzeffekte entsteht dann das räumliche Bild. Bei digitalen Hologrammen errechnet der Computer die Phasenverschiebungen und reproduziert so die nötigen Interferenzeffekte – was auch als Fresnel-Diffraktion bezeichnet wird.
Enormer Rechenaufwand
Das Problem jedoch: Die für solche digitalen Hologramme nötige Rechenleistung ist enorm. „Weil jeder Bildpunkt eine andere Tiefe hat, kann man nicht eine Rechenoperation für alle nutzen – das erhöht die Komplexität gewaltig“, erklärt Liang Shi vom Massachusetts Institute of Technology ( IT). Selbst Supercomputer benötigen für ein komplexeres Hologramm mehrere Sekunden oder sogar Minuten des Rechnens. Echtzeit-Hologramme, beispielsweise für Videos oder VR-Anwendungen sind damit kaum machbar.
Unter anderem deshalb galten digitale Hologramme als noch weit von einem Alltagseinsatz entfernt. „Schon oft wurde vorhergesagt, dass kommerziell erhältliche Holografie-Displays schon in zehn Jahren verfügbar sein werden – aber diese Prognose gibt es schon seit Jahrzehnten“, sagt Shi. „Man dachte bisher, dass es mit der gängigen Alltags-Hardware unmöglich ist, Echtzeit-Holografien zu rechnen.“
Neuronales Netz bringt sich Holografie selbst bei
Doch jetzt könnten Shi und sein Team eine Methode gefunden haben, um digitale Hologramme alltagstauglicher zu machen. Kern der neuen Technik ist ein lernfähiges neuronales Netzwerk – eine künstliche Intelligenz. Diese erhielt Informationen über physikalisch-optische Gesetzmäßigkeiten und die Sehfähigkeiten des Menschen. Dann wurde das KI-System mit 4.000 Paaren zweidimensionaler Fotos und den entsprechenden herkömmlich produzierten Hologrammen trainiert.
Durch dieses Training eignete sich der Algorithmus selbständig eine Methode an, um den Hologramm-Effekt so genau wie möglich nachzubilden. Im Prinzip erreicht das System dies durch die Anwendung und Überlagerung von virtuellen Streu-Linsen verschiedener Frequenzen. Statt jeden einzelnen Bildpunkt zu berechnen, nutzt der Algorithmus einen festen, für jeden Punkt anders kombinierten Satz dieser virtuellen Linsen, um den Tiefeneffekt zu erzielen.
Normale Grafikkarte reicht
„Wir sind erstaunt, wie gut das funktioniert“, sagt Seniorautor Wojciech Matusik vom MIT. In wenigen Millisekunden kann diese „Tensor-Holografie“ getaufte Methode ein komplexes Hologramm von 1920 x 1080 Pixeln produzieren. Dafür benötigt das System nur rund 640 Kilobyte Speicher und die Leistung einer handelsüblichen Grafikkarte. „Unser neuronales Netzwerk läuft sogar auf Smartphones wie dem iPhone 11 oder Geräten mit Googles Tensor-Prozessoren (TPU)“, so die Forscher. Letztere sind speziell darauf ausgelegt, lernfähige Algorithmen zu betreiben.
In einem weiteren Test wandelte das neuronale Netzwerk seine komplexen Hologramme so um, dass sie von einem schon kommerziell erhältlichen Phasenmodulator dargestellt werden konnten. Dieser Holoeye-Projektor gab das Hologramm damit als dreidimensionales Bild wieder.
Anwendungen von VR bis 3D-Druck
Nach Ansicht von Shi und seinen Kollegen könnte die neue Technologie den Weg zu einer mit Alltagsrechnern machbaren digitalen Holografie ebnen. Einsetzbar wäre diese Tensor-Holografie beispielsweise für VR-Anwendungen oder für künftige Displays, die neben der Helligkeit auch die Phase des Lichts modulieren. „Das wäre ein beträchtlicher Sprung nach vorne, der die Haltung der Menschen gegenüber der Holografie vollkommen verändern könnte“, sagt Matusek.
Im 3D-Druck könnten Tensor-Hologramme ebenfalls neue Möglichkeiten eröffnen. Denn statt ein Material nur in zweidimensionalen Schichten mittels Laser zu härten oder schmelzen, könnte damit das gesamte dreidimensionale Design auf einmal projiziert werden. Auch holografische Mikroskopie könnte damit möglich werden. (Nature, 2021; doi: 10.1038/s41586-020-03152-0)
Quelle: Massachusetts Institute of Technology