Das Standardmodell der Teilchenphysik bildet seit Jahrzehnten eine der Grundlagen unseres physikalischen Weltbilds. Fein säuberlich listet es auf, welche Teilchen die Grundbausteine der Materie bilden und auch, welche Trägerteilchen die zwischen ihnen wirkenden Grundkräfte vermitteln.
Ein Schema für alle Teilchen
Dem Standardmodell zufolge gibt es zwölf Fermionen – Teilchen, aus denen die normale Materie besteht. Zu diesen gehören die Quarks, von denen einige die Protonen und Neutronen bilden, aber auch die Elektronen und Myonen, sowie die Neutrinos. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie einen halbzahligen Spin besitzen und dass von ihnen nie zwei völlig identische Teilchen zur gleichen Zeit am gleichen Ort sein können.
Anders ist dies bei den Kraftteilchen, den Bosonen, die einen ganzzahligen Spin besitzen. Zu diesen gehören vier Eichbosonen mit ganzzahligem Spin, die physikalische Grundkräfte vermitteln: das Photon als Träger der elektromagnetischen Wechselwirkung, das Gluon als Vermittler der starken Kernkraft und die W- und Z-Bosonen als Träger der schwachen Kernkraft. Eine Sonderstellung unter den Bosonen des Standardmodells hat zudem das erst 2012 nachgewiesene Higgs-Boson, das allen anderen Teilchen ihre Masse verleiht.
Unser Modell erklärt nur rund fünf Prozent
Doch auch wenn das Standardmodell bisher allen experimentellen Überprüfungen standgehalten hat – vollständig ist es nicht. So liefern die in ihm beschriebenen Teilchen eine Grundlage für nur drei der vier Grundkräfte – die Gravitation fällt aus dem Rahmen. Für sie ist bislang weder klar, ob es ein Trägerteilchen gibt, noch wie dieses aussehen könnte. Zudem kann das Standardmodell bisher nicht erklären, wie sich nach dem Urknall alle vier Grundkräfte aus nur einer „Urkraft“ entwickelt haben könnte. An dieser „großen Vereinheitlichung“ scheiterte schon Albert Einstein.
Eine geradezu riesige Lücke gibt es zudem bei der Erklärung der „dunklen“ Komponenten unseres Universums – der Dunklen Materie und Dunklen Energie. Zusammen machen sie rund 95 Prozent des Kosmos aus, aber im Standardmodell kommen sie nicht vor. Letztlich erklärt dieses damit gerade einmal fünf Prozent unseres Universums.
Das Hierarchie-Problem
Ebenfalls Kopfzerbrechen bereitet den Physikern das sogenannte Hierarchie-Problem: Anders als die masselosen Photonen besitzen die W- und Z-Bosonen eine Masse, sie wiegen rund 80- bis 90-mal so viel wie das aus drei Quarks bestehende Proton. Der Theorie nach stammt diese Masse aus der Wechselwirkung mit dem Higgs-Feld.
Das Problem jedoch: Die Reichweite einer Grundkraft hängt eng mit der Masse ihrer Trägerteilchen zusammen – je leichter das Boson, desto weiter reicht die Wechselwirkung. Die schwache Kernkraft jedoch ist im Verhältnis zur Masse ihrer Trägerteilchen zu stark. Die W- und Z-Bosonen müssten eigentlich um bis zu 17 Größenordnungen schwerer sein – oder aber das Higgs-Boson ist zu leicht und der Higgs-Mechanismus funktioniert nicht so wie gedacht.
Damit scheint klar: Es muss noch eine Physik jenseits des Standardmodells geben, denn ganz offensichtlich stellt dieses auf den ersten Blick so schlüssige Schema nur einen Ausschnitt dessen dar, was in unserem Universum tatsächlich existiert und geschieht.