Wissenschaftler haben zwei neue Tiefenrekorde im Internationalen Tiefbohrprogramm IODP aufgestellt. Im Tiefseegraben vor Japan entnahm das Team an der tiefsten je erreichten Stelle Proben aus dem Meeresgrund – 8.023 Meter unter dem Meeresspiegel. Der dabei gewonnene Sedimentbohrkern reichte noch einmal 38 Meter tiefer – auch das ist ein neuer Rekord. Der Bohrkern soll dabei helfen, das Risiko für Starkbeben vor der Küste Japans einzuschätzen.
Wie ist die Erdkruste unter den Ozeanen beschaffen? Was lebt in diesen unterseeischen Gesteinsschichten? Und welche Prozesse laufen in der ozeanischen Kruste oder in Unterseevulkanen ab? Um diese Fragen zu klären, führen Wissenschaftler im Rahmen des internationalen Tiefbohrprogramms (IODP) seit Jahrzehnten Bohrungen in den Meeresgrund durch und gewinnen so Sedimentbohrkerne für die weitere Analyse.
Tiefseegraben als Erdbeben-Archiv
Im Rahmen der IODP-Expedition 386 hat ein Forschungsteam von April bis Juni 2021 den Untergrund an einer der tiefsten und erdbebenträchtigsten Stellen des Ozeans näher untersucht: dem Japangraben. Dieser 8.410 Meter tiefe Tiefseegraben vor der Ostküste Japans markiert die Plattengrenze zwischen der Pazifischen und Philippinischen Erdplatte. Die Subduktion der ozeanischen Kruste löst entlang dieses Grabens immer wieder schwere Erdbeben aus, darunter auch das Tohoku-Beben vom März 2011.
„Um die Wiederkehrraten von Starkbeben und die Erdbebenprozesse entlang konvergierender Plattengrenzen wie Subduktionszonen verstehen zu können, müssen wir auf die Sedimentaufzeichnungen aus diesen ultratiefen Bereichen zurückgreifen“, erklärt Expeditionsleiter Michael Strasser von der Universität Innsbruck. Diese Informationen lassen sich durch Bohrkerne vom Grund des Japangrabens gewinnen.
Kolbenlot treibt Bohrer ins Sediment
Eine Bohrung in mehr als 8.000 Meter Wassertiefe durchzuführen, ist allerdings alles andere als trivial. Möglich ist dies nur mithilfe spezieller Bohrschiffe und -technologien. Bei der aktuellen IODP-Expedition kam als Bohrer ein Kolbenlot zum Einsatz, eine vor allem für weiches Sediment genutzte Technik: „Mit dem Giant Piston Corer an Bord des Forschungsschiffs Kaimei ist es nun möglich geworden, den Tiefsee-Untergrund effizient und sicher zu beproben“, erklärt Strasser
Das Kolbenlot funktioniert wie eine Art Bohrhammer. Es besteht aus einem langen stabilen Bohrrohr, das oben durch ein schweres Gewicht beschwert ist. Sobald ein vorweg abgesenktes Triggerlot den Meeresgrund berührt, wird die Arretierung des Kolbenlots gelöst und das Bohrrohr stürzt im freien Fall ins Sediment. Die Wucht des Aufprall reicht aus, um den Bohrer tief ins Sediment zu treiben. Dadurch können mit einem Schlag bis zu 40 Meter lange Bohrkerne gewonnen werden.
Neue Tiefenrekorde im IODP
Im Rahmen der IODP-Expedition 386 haben die Wissenschaftler 58 Bohrungen an 15 Stellen des Japangrabens durchgeführt. Eine Bohrung stellte dabei gleich zwei neue Rekorde auf: Zum ersten Mal gelang es einem Team, eine Bohrprobe aus dem Meeresgrund in 8.023 Meter Wassertiefe zu entnehmen. – so tief wie nie zuvor. Bei der Bohrung an dieser Stelle stießen sie weitere 38 Meter bis auf eine Gesamttiefe von 8.061 Metern vor – auch das ein neuer Rekord.
Nach mehr als 43 Jahren wurde damit der Tiefenrekord im wissenschaftlichen Tiefseebohrprogramm gleich doppelt gebrochen. Noch wichtiger aber: Insgesamt konnte die Expedition 832 Meter an Bohrkernen aus den tiefen des Japangrabens bergen. Sie können nun bei weiteren Analysen Aufschluss darüber geben, wann entlang dieses Tiefseegrabens Starkbeben aufgetreten sind und mit welchen Prozessen diese verknüpft waren.
„Wir sind zuversichtlich, dass weitere Analysen dieser Kerne zum Verständnis der räumlich-zeitlichen Variation großer Erdbeben und des erdbebenbedingten Materialtransports entlang des Japan-Grabens sowie zur Etablierung der Methodik der Tiefsee-Paläoseismologie beitragen werden“, erklärt Co-Expeditionsleiter Ken Ikehara vom Japanischen Geologischen Dienst. Die weitere Untersuchung und Auswertung der Bohrkerne wird ab Herbst in Japan stattfinden.
Quelle: Universität Innsbruck