Die Überlebensstrategien von Bakterien in Biofilmen sind zwar hochwirksam. Dennoch konnten Wissenschaftler bereits erste präventive Maßnahmen sowie Bekämpfungsmittel bei einem Befall von Biofilmen entwickeln und forschen weiterhin an neuen Möglichkeiten.
Ein Ansatzpunkt ist die Reinigung medizinischer Geräte und Utensilien. Damit mit dem Wasser nicht neue Keime auf die Materialien gelangen, setzt man spezielle Sterilwasserfilter ein, die mithilfe spezieller Membranen alle wassergebundenen Keime zurückhalten.
Beschichtungen gegen die Anheftung
Außerdem wird bereits an Beschichtungen für Implantate, Katheter und Co. geforscht, die Mikroben gar nicht erst die Chance geben, sich anzusiedeln und Biofilme zu bilden. „Um die Bakterien zu bekämpfen, muss man bereits den Prozess der Anheftung verhindern“, so Qun Ren von der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt.
Ein Forscherteam um Friedrich Götz von der Universität Tübingen hat dafür eine beschichtete Oberfläche entwickelt, von der fädige Strukturen abstehen, die einem Tierpelz ähneln. Tatsächlich hatten Mikroorganismen in ersten Versuchen Schwierigkeiten sich daran anzudocken. Bedeckten die Forscher die pelzartige Oberfläche aber mit Blut – um die natürliche Umgebung im Körper nachzustellen –, wuchs wieder ein Bakterienteppich heran, da die Organismen an Blutbestandteile wie Immunglobuline binden konnten. Behandelten Götz und sein Team die Bakterien aber vorab mit Immunglobulinen, waren ihre Rezeptoren besetzt und sie konnten nicht mehr an die Blutbestandteile auf der Oberfläche binden.
Nanosilber hemmt auch Biofilme
Auch eine Implantat-Beschichtung aus Silber-Nanopartikeln war zumindest in Tiermodellen bereits erfolgreich: Silber ist für seine bakterizide Wirkung bekannt und in Form von Nanopartikel kann es aufgrund des größeren Oberfläche-Volumen-Verhältnisses besser wirken als Silber an sich. Die Biofilmbildung durch das Bakterium Staphylococcus epidermidis konnte damit in Tests um 95 Prozent verringert werden. Ähnliches haben auch Forscher des Leibniz-Institut für Neue Materialien entdeckt: Ihre antimikrobielle, abriebfeste Beschichtungen mit Silber- und Kupferkolloiden töteten Keime zuverlässig und langfristig ab und verhinderten das Einnisten neuer Keime.
Ein weiteres Forscherteam hat Silikonstreifen getestet, auf die mit Hilfe des Enzyms Acylase und dem Molekül Polyethylenimin Schicht für Schicht eine Antibiofilm-Oberfläche für medizinische Katheter aufgetragen wurde. Tatsächlich konnte so für bis zu 24 Stunden wirksam die Anhaftung von Bakterien gehemmt werden.
Viren gegen Bakterien
Auch wenn bereits ein Befall mit mikrobiellen Biofilmen vorliegt, können Mittel gegen sie eingesetzt werden. So zum Beispiel Phagen – Viren, die Bakterien angreifen und auflösen. Sie besitzen eine hohe Wirtsspezifität, können also gezielt gegen bestimmte Mikroben eingesetzt werden und befallen auch inaktive Zellen, sodass die für wiederkehrende Infektionen verantwortlichen Persister ebenfalls zerstört werden.
Das Problem: Bei Mehrfachinfektionen und unbekanntem Erreger kann die Wirtsspezifität der Phagen nachteilig sein. Zudem können Bakterien gegen Phagen Resistenzen entwickeln oder die Phagen könnten Resistenzgene an die zu bekämpfenden Bakterien übertragen. Deshalb können nur Phagen für eine Therapie genutzt werden, die ihr Erbmaterial nicht in das Bakteriengenom einbauen.
Eine andere Möglichkeit bestehende Biofilme zu zerstören, haben Forscher um Xinpei Lu von der Huazhong Universität in Wuhan entdeckt. Sie nutzten kalte Plasmen mit geringem Ionisationsgrad, die meist durch Laserpulse aus Gas mit niedrigem Druck erzeugt werden. Wenn die energiereichen Elektronen dieses Plasmas auf die Moleküle der Umgebungsluft treffen, ionisieren sie diese zum Teil und produzieren hochreaktive neue Verbindungen wie Hydroxyl-Ionen. Pro Kubikzentimeter kann ein Plasma Milliarden solcher freier Radikale erzeugen. Damit können selbst Krankheitserreger in hartnäckigen Biofilmen abgetötet werden, gegen die gängige Methoden kaum helfen.
Die Matrix zerstören
Einen weiteren Ansatzpunkt bildet die extrazelluläre Matrix der Biofilme. Wird sie zerstört, fällt der wichtigste Schutz der Bakterien weg. Eine Möglichkeit dafür ist der Einsatz spezieller Enzyme.
Das aus Actinobacillus actinomycetemcomitans stammende Dispersin B ist ein Enzym, das eine in bestimmten Bakterien-Biofilmen vorkommende Matrix-Komponente spaltet und Biofilme sowohl in vivo als auch in vitro auflösen kann. Der In-vivo-Einsatz von Enzymen ist jedoch durch potenzielle Immunreaktionen nicht immer möglich.
Auch die Lektine zu zerstören, die den Bakterien im Biofilm Zusammenhalt sichern, könnte wirksam sein. „Lektine vernetzen die Bestandteile des Biofilms“, erklärt Alexander Titz vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung in Saarbrücken. Einmal getrennt, wären die Biofilm-Bewohner wieder angreifbar für das Immunsystem oder Antibiotika. Mit seinem Forscherteam hat Titz dazu ein Lektin-blockierendes Molekül entwickelt, das die Biofilmbildung des gefährlichen Keims Pseudomonas aeruginosa unterdrückt. Und auch Wirkstoffen, die das Quorum-Sensing, die Kommunikation der Bakterien, stören könnten die Stabilität der Biofilme verringern. An Mitteln dafür wird bereits geforscht.
Bakterien als Biofilm-Killer
Neben diesen meist bereits vielversprechenden Methoden, haben Forscher um Wook Chang von der Nanyang Technological University in Singapur noch eine weitere, ungewöhnliche Strategie gegen Biofilme entwickelt: Sie bauten harmlose Darmbakterien genetisch so um, dass diese Jagd auf tödliche Keime der Art Pseudomonas aeruginosa machten.
Sensoren und Waffen des manipulierten „Helfers“ konstruierten die Forscher dabei mit Hilfe gentechnischer Methoden komplett neu und pflanzten diese dann in die Darmbakterien als Träger ein. Im Laborversuch erwiesen sich diese künstlich erzeugten „Killerbakterien“ als extrem effektiv und wirksam gegenüber den resistenten Keimen und Biofilmen.
Hausmittel gegen die Keime
Eine weitere eher erstaunliche Waffe gegen Biofilme ist eine Arznei aus dem Mittelalter: Sie tötet effektiv krankmachende Bakterien wie Staphylococcus aureus ab und wirkt gegen mikrobielle Biofilme, wie ein Experiment von Jessica Furner-Pardoe von der University of Warwick und ihren Kollegen enthüllt hat. Das Erstaunliche daran: Die tausend Jahre alte Augensalbe besteht nur aus Knoblauch, Zwiebel, Wein und Rindergalle. Während diese Zutaten einzeln kaum wirksam sind, sind sie zusammen unerwartet effektiv.
Und noch ein weiteres Hausmittel gilt als wirksam, um Infektionen zu verhindern: Dunkler Manuka-Honig ist nicht nur stark antibakteriell, sondern konnte in Untersuchungen von Bashir Lwaleed von der University of Southampton und seinem Team sogar Biofilme verhindern helfen. Schon eine stark verdünnte Honiglösung senkte die Haftung von Bakterienfilmen an Plastik und beeinträchtigte ihr Wachstum.