Schnecken produzieren es, einige Krebse nutzen es und Quallen bestehen sogar fast vollständig daraus: Hydrogel. Diese in nasser Umgebung glibbrige Masse besteht zu mehr als 90 Prozent aus Wasser, verliert aber dennoch selbst eingetaucht nicht seine Struktur. Gleichzeitig kann ein Hydrogel erstaunlich fest werden, enormen Kräften standhalten oder auf nahezu allen Oberflächen kleben.
Pulver, Gel oder Feststoff
Diese vielseitigen Fähigkeiten verdanken die Hydrogele ihrer besonderen Zusammensetzung: Ihr Gerüst aus vernetzten Polymeren ist nicht wasserlöslich, trotzdem kann es große Mengen an Wasser an sich binden. Das dreidimensionale Netzwerk aus physikalisch oder chemisch miteinander verknüpften Polymerketten quillt in feuchter Umgebung auf und wird weich und gelartig. Diese Eigenschaft nutzt man beispielsweise bei Superabsorbern aus: Diese Hydrogele sind in trockener, kompakter Form in Babywindeln oder Damenbinden integriert. Kommen sie mit Flüssigkeit in Kontakt, quillt das kompakte Material zum Gel auf und schließt so die Flüssigkeit sicher ein.
Umgekehrt kann ein Hydrogel aber durch äußere Einflüsse wie Wärme, elektrische Felder, UV-Licht oder Veränderungen des pH-Werts auch Wasser abgeben und dann seine Eigenschaften komplett verändern: Es wird zum trockenen Pulver, zum stark haftenden Kleber oder einem festen Gerüst. Dabei bilden sich teilweise zusätzliche Verstrebungen im Polymernetz, die dann zur Haftkraft oder Stabilität des Hydrogels beitragen.
Der Vorteil dabei: Bei vielen Hydrogelen sind diese Wechsel vollständig reversibel – sie können je nach Umweltbedingung fast beliebig oft zwischen dem gelartigen und dem festen Zustand wechseln. „Der Zyklus von Binden, Trennen und wieder Binden kann mehrfach wiederholt werden, ohne dass das Material seine Fähigkeit zur Selbstheilung verliert“, erklärt Ameya Phadke von der University of California in San Diego.
Die Polymere entscheiden über die Eigenschaften
Praktisch auch: Je nachdem, welche Grundbausteine man für das Netzpolymer wählt, lässt sich das Verhalten des Hydrogels gewissermaßen maßschneidern. Grundsätzlich kommen für ein Hydrogel alle Polymere in Frage, die polar sind, die also innerhalb ihrer Struktur Ladungsunterschiede ausbilden. Das macht es möglich, dass sich die ebenfalls polaren Wassermoleküle über Wasserstoffbrückenbindungen an die Struktur anlagern und lose gebunden bleiben.
In der Natur bestehen Hydrogele oft aus Biopolymeren wie Proteinen oder Polysacchariden, darunter Zellulose, Gelatin, Elastin oder dem Stärkebestandteil Amylopektin. Für synthetische Hydrogele wie beispielsweise die Superabsorber werden häufig Kohlenwasserstoff-Verbindungen wie Acrylate und Acrylamide eingesetzt.
Die Möglichkeit, die Eigenschaften eines Hydrogels maßzuschneidern und die Bioverträglichkeit der meisten Grundkomponenten machen diese anpassungsfähigen Materialien zu wertvollen Helfern in der Medizin.