Astronomie

Riesige Leere im All entdeckt

Perseus- und Taurus-Molekülwolken sind Teil einer 500 Lichtjahre großen Blase

Per-Tau-Blase
Dieses 3D-Modell zeigt die riesige leere Blase im nahen Weltraum, die Astronomen jetzt entdeckt haben. Sie ist von kalten Molekülwolken umgeben. © Alyssa Goodman/ Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian

Kosmische Leere: Astronomen haben eine gigantische Leerstelle im All entdeckt – eine rund 500 Lichtjahre große Blase, die nahezu staub- und gasfrei ist. Dieser erst in einer 3D-Kartierung identifizierte Leerraum ähnelt einer Hohlkugel und wird von zwei bekannten Sternbildungszonen gesäumt, den Taurus- und Perseus-Molekülwolken. Die Forscher vermuten, dass die Wolken und die leere Blase zwischen ihnen durch eine oder mehrere Supernovae entstanden sind.

Kalte Molekülwolken sind die Rohstoffreservoire des Kosmos und wichtige Vorstufen für Sternenwiegen. Die kalten, dichten Wolken aus Gas und Staub enthalten eine Vielzahl schwererer Elemente und Moleküle, darunter ringförmige Kohlenwasserstoffe und sogar Teile von Phospholipiden, den Bausteinen der Zellmembran. Die geringen Temperaturen und hohen Dichten in diesen Molekülwolken schaffen zudem die Voraussetzung dafür, dass das Gas lokal kollabiert und dort dann neue Sterne entstehen.

Taurus-und Perseuswolke
Von uns aus gesehen scheinen die Tauruswolke (blau) und die Perseuswolke (rot) nah beieinander und in gleicher Richtung zu liegen. © Burke et al. /PNAS

Neuer Blick auf zwei nahe Molekülwolken

Doch wie sich diese Molekülwolken bilden und warum sie so viel kälter sind als das umgebende interstellare Medium, war bislang unklar. Deshalb haben Astronomen um Shmuel Bialy vom Harvard & Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge zwei dieser kalten Molekülwolken näher untersucht: die nach bisherigen Schätzungen rund 450 Lichtjahre entfernte Taurus-Molekülwolke und die rund 600 Lichtjahre in fast der gleichen Richtung liegende Perseus-Molekülwolke.

Das Ziel der Astronomen war es, nach einer möglichen Verbindung beider Molekülwolken zu suchen und die dreidimensionale Struktur ihres Umfelds aufzuklären. „Wir kennen diese beiden Wolken seit Jahrzehnten, aber konnten nie ihre wahre Form, Tiefe oder Dicke bestimmen. Selbst bei der Entfernung dieser Molekülwolken waren wir nicht sicher“, erklärt Bialys Kollegin Catherine Zucker. Erst jetzt ist es dem Team mithilfe von Daten des europäischen Gaia-Satelliten gelungen, dieses kosmische Gebiet in 3D zu kartieren.

500 Lichtjahre große Leere

Mit überraschendem Ergebnis: Die 3D-Rekonstruktion enthüllte, dass die beiden Molekülwolken am Rand einer gigantischen leeren Blase liegen. Diese rund 500 Lichtjahre große Leere ist annähernd kugelförmig und von mehreren dichten Gas- und Staubwolken gesäumt. Die Tauruswolke liegt auf der uns zugewandten Seite dieses „Voids“ und ist den neuen Messungen nach knapp 490 Lichtjahre von uns entfernt. Die Perseuswolke liegt sogar knapp 980 Lichtjahre weit weg.

„Damit haben wir nun die Position der beiden Molekülwolken mit nur noch einem Prozent Unsicherheit präzisiert. Das erlaubt es uns auch, erstmals die Leere zwischen ihnen zu erkennen“, sagt Zucker. Die Gaia-Daten und ergänzende Beobachtungen mit anderen Teleskopen legen nahe, dass der Raum innerhalb dieses „Per-Tau“ getauften Voids weitgehend frei von Gas und Staub ist.

Supernova als Urheber?

Doch wie ist diese Leere entstanden? „Die nahezu sphärischen Geometrie, das fast staubfreie Innere und ihre enorme Größe deuten auf ein Szenario hin, in dem die Leere durch eine sich ausdehnende Supernova-Schockwelle geformt wurde“, erklären die Astronomen. Bei einer solchen Explosion eines massereichen Sterns werden die äußeren Hüllen eines Sterns mit hoher Geschwindigkeit ins All hinausgeschleudert. Dort, wo diese sich ausbreitenden Schockwelle auf das interstellaren Medium trifft, werden Staub und Gase zu dichten Wolken komprimiert.

Zu diesem Szenario passt, dass solche Supernova-Schockwellen schon länger als mögliche Ursache für kalte Molekülwolken wie Perseus und Taurus gelten. Ergänzende Daten des Röntgenteleskops ROSAT und des Planck-Satelliten zeigen zudem, dass es im Zentrum der Per-Tau-Leere vermehrte Röntgenstrahlung und eine Stelle mit erhöhten Dichten des bei Sternexplosionen freigesetzten Isotops Aluminium-26 gibt.

Explosionen(en) vor Millionen Jahren

Allerdings: Für eine einzelne Supernova ist die leere Blase ziemlich groß, zudem scheint sich die Schockwelle inzwischen nicht mehr weiter auszudehnen. „Es gibt keine Hinweise auf eine Expansion“, berichten Bialy und sein Team. „Die Per-Tau-Leere muss daher ein älteres Supernova-Relikt sein, das sich nicht mehr schneller bewegt als das interstellare Medium.“ Die Astronomen schätzen, dass die auslösende Explosion vor sechs bis 22 Millionen Jahren stattgefunden hat.

„Wir haben daher zwei Theorien: Entweder ein einzelner Stern explodierte im Zentrum dieser Blase und drückte das Gas nach außen um die Per-Tau-Supershell zu bilden. Oder aber eine ganze Reihe von Supernovae erzeugte die Blase über Millionen von Jahren hinweg“, erklärt Bialy. In letzterem Fall könnten die massereichen, nahezu gleichalten Sterne eines ganzen Sternhaufens kurz hintereinander explodiert sein.

In jedem Fall enthüllen die neuen Beobachtungen neue Zusammenhänge zwischen Sternexplosionen und Molekülwolken und liefern auch neue Informationen über die räumliche Konfiguration der Taurus- und Perseuswolken „Wie unsere Studie demonstriert, zieht das Ende eines Sterns in einer Supernova eine ganze Kette von Ereignissen nach sich, die letztlich zur Geburt neuer Sterne führen“, sagt Bialy. Auch in den beiden Molekülwolken gibt es schon erste Jungsterne. (The Astrophysical Journal Letters, 2021; doi: 10.3847/2041-8213/ac1f95)

Quelle: Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian

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