Mieses Timing: Der Einschlag des „Dinokiller“-Asteroiden traf die Erde im Frühjahr der Nordhalbkugel – und damit zur denkbar ungünstigsten Zeit für die irdische Lebenswelt. Denn in dieser Phase des Wachstums und der Fortpflanzung trafen die Auswirkungen des Impakts die Pflanzen- und Tierwelt besonders hart. Indizien für den Zeitpunkt lieferte eine Fundstätte in North Dakota, in der ein ganzer Lebensraum mit allen Bewohnern unter einer Flutwelle und Gesteinsregen verschüttet wurden.
Als vor 66 Millionen Jahren der kilometergroße Chicxulub-Asteroid in Yucatan einschlug, war eine globale Katastrophe die Folge. Schon in den ersten Stunden vernichteten Schockwellen, Hitze und Tsunamis alles Leben in weitem Umkreis. Selbst in 3.000 Kilometer Entfernung führten Flutwellen und Gesteinsregen zu abrupten Massensterben, wie Fossilien aus der Tanis-Lagerstätte in North Dakota belegen. Insgesamt starben durch den Einschlag und seine kurz- und langfristigen Folgen rund 75 Prozent der irdischen Tier- und Pflanzenarten aus – darunter auch die Dinosaurier.
Warum die Jahreszeit wichtig ist
Doch eine Frage blieb bisher ungeklärt: Zu welcher Jahreszeit traf der katastrophale Einschlag die Erde? „Die ökologischen Auswirkungen der verschiedenen Einschlagsfolgen können je nach Jahreszeit stark variieren“, erklären Robert DePalma von der University of Manchester und seine Kollegen. So werden Fauna und Flora härter getroffen, wenn sie zum Zeitpunkt von Flut, Feuer und Dunkelheit gerade mitten im Wachstum und in der Fortpflanzung sind, als wenn sie nur in Winterruhe verharren.
„Die Saison des Chicxulub-Impakts zu identifizieren, könnte ein entscheidender Schlüssel für die Einschätzung der ersten biotischen Belastungen sein, aber auch für die Aufklärung der globalen Effekte“, sagen die Forscher. Bisher fehlte eine solche zeitliche Einordnung jedoch, weil die meisten Relikte und Ablagerungen zeitlich nicht fein genug aufgelöst waren. Die Ergebnisse blieben daher widersprüchlich.
Fossiles Massengrab als Datierungshelfer
Abhilfe bringen nun die Fossilien aus Tanis – dem kreidezeitlichen Ökosystem in Nordamerika, das schon am Tag des Einschlags nahezu vollständig vernichtet und unter Schlamm und Gesteinsglas konserviert wurde. Für ihre Studie haben DePalma und sein Team sich zwei Tiergruppen vorgenommen, die sich besonders gut als saisonale Marker eignen: Fische aus der Gruppe der Störe und blattfressende Insekten.
Bei den Knochenfischen aus der Gruppe der Störartigen verraten Wachstumsringe in den Knochen den Wechsel der Jahreszeiten: „Im Frühjahr und Sommer bildet sich durch die vermehrte Futteraufnahme und ein stärkeres Wachstum eine dunkle Knochenschicht. Im Herbst und Winter entsteht dagegen ein helles Knochenband“, erklären die Wissenschaftler. An den letzten vor der Katastrophe gebildeten Wachstumsringen der Fischfossilien aus Tanis lässt sich daher erkennen, in welcher Phase sie starben.
Fischknochen verraten den Todeszeitpunkt
Die Fossiluntersuchungen enthüllten: Bei den meisten untersuchten Fischen war die letzte noch gebildete Knochenschicht dunkel. „Das legt nahe, dass der Tod auf dem Höhepunkt der Wachstumsperiode eintrat – in den Frühjahrs- und Sommermonaten“, berichten DePalma und sein Team. Bestätigt wurde dies durch Analysen des Kohlenstoffs in den Knochen, dessen Anteile schwerer und leichter Isotope ebenfalls im Verlauf der Jahreszeiten schwanken. Auch sie sprachen für einen Tod spätestens im Sommer.
En weiteres Indiz lieferte die Größe der Fischfossilien: Die kleinsten bei dem Massensterben getöteten Störe waren Jungtiere von weniger als 16 Zentimetern Länge. „Das ist deutlich unter der normalen Jährlingsgröße und deutet darauf hin, dass diese Jungfische starben, noch bevor sie ein Jahr alt waren“, erklären die Forscher. Weil die Kreidezeit-Störe ihr erstes Frühjahr und Sommer im Süßwasser verbrachten und im Herbst ins Meer zogen, spricht auch dies für einen Tod im Frühjahr oder Sommer.
Eintagsfliegen: Tod nach dem Schlupf
Doch die Fische sind nicht die einzigen Indikatoren. In der Tanis-Fossillagerstätte verraten auch zwei Insektengruppen den Zeitpunkt ihres Todes. Dazu gehören Arten, die ihre Eier auf Pflanzen legen und deren Larven sich dann durch das Blatt fressen. Diese Fraßgänge sind typischerweise im Frühjahr und Frühsommer besonders oft auf Blättern zu finden. In Tanis zeigten sich diese Fraßspuren auf rund 40 Prozent der zum Zeitpunkt der Katastrophe frischen Blätter, wie das Team feststellte.
Einen noch klareren Hinweis lieferten die Fossilien von adulten Eintagsfliegen. Diese Insekten verbringen den Großteil ihres Lebens als Larve und schlüpfen dann im Frühjahr und Sommer. Die geflügelten Adulten sterben jedoch schon wenige Stunden bis Tage nach dem Schlupf. „Sie sind daher ein verlässlicher Indikator für die zeitliche Einordnung“, so die Forscher. Tatsächlich fanden sie in Tanis zahlreiche Fossilien von adulten Eintagsfliegen in der bei der Katastrophe frisch abgelagerten Schicht.
Katastrophe kam zur ungünstigsten Zeit
Nach Ansicht der Wissenschaftler liefern die Fossilfunde von Tanis damit gleich mehrere unabhängige Belege dafür, in welcher Jahreszeit sich der Asteroideneinschlag ereignete: „Es passt alles zusammen – und alles spricht dafür, dass der Einschlag während des Frühjahrs oder Sommers der Nordhalbkugel stattfand“, sagt Koautorin Loren Gurche von der University of Kansas. Die Katastrophe traf damit den größten Teil der irdischen Landfläche in der sensibelsten Phase.
„Die ersten schlimmen Folgen des Chicxulub-Einschlags könnten dadurch für viele Biota der nördlichen Hemisphäre noch verstärkt worden sein“, schreibt das Team. „Vor allem für Spezies, die Jahre benötigen, bis ihre Jungen das fortpflanzungsfähige Alter erreichen oder die nur unter idealen Bedingungen überhaupt Nachwuchs produzieren, war dies besonders verheerend.“ Zu diesen Arten gehörten auch viele Dinosaurier, deren Aussterben diese Katastrophe besiegelte. (Scientific Reports, 2021; doi: 0.1038/s41598-021-03232-9)
Quelle: University of Manchester