Vorhang als Fernseher: Ein Forschungsteam hat erstmals große Displays und andere Elektronik aus gewebten Hightech-Fasern produziert. Das gewebte Material kann nicht nur als Bildschirm dienen, es fungiert auch als Touchscreen, Sensor und Stromlieferant in einem. Die Elektronik ist zudem flexibel rollbar, dehnbar und mit herkömmlichen Verfahren der Textilherstellung verarbeitbar, wie das Team berichtet. Dies eröffne neue Möglichkeiten für smarte Textilien.
Ob T-Shirts mit dehnbaren Solarzellen, sensorbestückte Jacken oder selbstleuchtende Kleidung – schon länger suchen Forscher nach Möglichkeiten, Elektronik in Textilien zu integrieren. Die meisten dieser „smarten“ Textilien sind bisher allerdings wenig robust, nur bedingt wasserfest und die Bauteile müssen nachträglich in das Gewebe eingebracht werden. Zudem konnte die elektromische Fasern meist nur eine Funktion leisten – entweder leuchten oder als Sensor oder Stromsammler fungieren.
Elektronik in Form robuster Fasern
Das hat sich nun geändert. Ein Team um Hyung Woo Choi von der University of Cambridge hat jetzt Fasern entwickelt, die gleich sieben Funktionen in sich vereinen und zudem noch so robust sind, dass sie mit gängigen Verfahren der Textilproduktion verarbeitet werden können. „Dies ist ein großer Schritt hin zu nachhaltigen, praktischen E-Fasern und E-Textilie in Alltagsanwendungen“, erklärt Chois Kollege Jong min Kim. „Und dies ist erst der Anfang.“
Für ihr Multifunktionstextil produzierten die Wissenschaftler sieben verschiedene Arten von Elektronik-Fasern, die dann auf einem klassische Webstuhl im gewünschten Muster kombiniert wurden. Für das gewebte Display verdrillten sie auf einen dünnen Kupferdraht aufgebrachte LEDs mit Baumwollfasern im Verhältnis 1:3. Fertig verwoben erreicht dieser flexible, verformbare RGB-Bildschirm eine Größe von 46 Zoll und eine Leuchtintensität von 10.000 Candela pro Quadratmeter.
Sieben verschiedene E-Fasern in einem Gewebe
Neben den LEDs für die Anzeige integrierten Choi und seine Kollegen sechs weitere Arten elektronischer Fasern in ihre Gewebe. „Jedes dieser Fasergeräte im smarten Textilsystem besteht aus einem Kern und einer Hülle oder ist in die Oberfläche einer einzelnen Faser integriert“, erklären sie. Dadurch ist die gesamte Elektronik nicht dicker als normale Fasern und lässt sich gemeinsam mit Baumwollfäden verarbeiten.
Zu den Funktionsfasern gehören eine Radiofrequenz-Antenne, ein Temperatursensor aus Kupfer und Kupferoxid sowie Photodetektoren aus lichtsensiblem Aluminium/Zinkoxid-Graphen auf einer Polyethylen-Naphtalenschicht. Dank spezieller Touch-Fasern kann das gewebte Display auch als Touchscreen fungieren. Dafür webten die Forschenden leitfähige Fasern in das Textil ein, die bei Berührung ihren Widerstand ändern.
Sogar die Elektroden für ein tragbares EKG lassen sich in das Textil einweben, wie das Team berichtet. Zur Energiespeicherung dienen Superkondensatoren in Form verdrillter Bündel aus Kohlenstofffasern zwischen Gelelektroden.
Vielseitig anwendbar
„Indem wir faserbasierte Elektronik, Photonik, Sensoren und Energiesammler kombinieren, können wir eine ganz neue Klasse von smarten Geräten und Systemen herstellen“, sagt Koautor Luigi Occhipinti von der University of Cambridge. Es sei zudem das erste Mal, dass Elektronik in so großem, skalierbarem Maßstab mithilfe normaler Webtechniken in Textilien integriert worden sei. In Belastungstests überstand das Elektronik-Material zudem problemlos mehrfaches Aufrollen und Benässen.
Das resultierende Multifunktions-Display kann wie ein Vorhang frei im Raum hängen oder als Teppich am Boden liegen, aber auch in Kleidung integriert werden. „Der Textil-Bildschirm kann dabei im Display-Modus arbeiten und bewegte Bilder abspielen oder aber im Monitoring-Modus betrieben werden, in dem es die Information der integrierten Sensoren und Geräte anzeigt“, erklären die Wissenschaftler. „Dann zeigt es beispielsweise Wetterdaten, elektromagnetische Felder oder auch die Herzaktivität an.“
Auch großflächige Displays möglich
Nach Ansicht des Teams eröffnet diese Technik nun neue Möglichkeiten für multifunktionale, smarte Textilien. „Indem wir das volle Potenzial der Textilproduktion nutzen, könnten wir schon bald smarte und energieautonome Geräte für das Internet der Dinge sehen, die nahtlos in Alltagsobjekte integriert sind“, sagt Occhipinti.
Weil die neuen Funktionsfasern auf normalen Webstühlen verarbeitet und selbst in größeren Bahnen hergestellt werden können, seien damit nun auch Anwendungen in größerem Maßstab möglich. „Unser Systemdesign und die Integrationsstrategien liefern die Grundlage auch für großflächige hochfunktionale Beleuchtungs- und Displaytextilien“, so das Team. (Nature Communications, 2022; doi: 10.1038/s41467-022-28459-6)
Quelle: University of Cambridge