Volle Kontrolle: Deutsche Forscher haben das kleinste aktiv angetriebene Zahnradgetriebe der Welt konstruiert. Das Bauteil aus zwei molekularen Zahnädern ist weniger als zwei Nanometer groß und besteht aus nur 71 Atomen. Dennoch lässt sich seine Bewegung gezielt mithilfe von Licht steuern, ohne dass thermische Effekte dies stören. Damit könnte dieses Bauteil ein entscheidendes Problem vieler Nanomaschinen lösen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Chemistry“ erklären.
Ob Nanoroboter, molekulare Rotoren, Nano-Vehikel oder Greifer im Miniaturformat: Bauteile und Maschinen im Nanomaßstab gibt es heute schon einige. Im Jahr 2016 gab es für die Entwicklung molekularer Maschinen sogar den Chemie-Nobelpreis. Meist werden diese Nanomaschinen aus chemischen Molekülen zusammengesetzt, deren Form und Verhalten dem gewünschten Zweck entsprechen. Auch für Zahnräder gibt es bereits erste molekulare Gegenstücke.
Durchrutschende Zähne
Das Problem jedoch: Bisher lässt sich die Bewegung molekularer Zahnräder und Getriebe nur schwer kontrollieren. Der Grund: „Anders als in der makroskopischen Welt spielen Reibung und Trägheit in der molekularen Welt keine wichtige Rolle“, erklären Aaron Gerwien von der Universität München und seine Kollegen. „Als Folge ist ein Durchrutschen eher die Regel als die Ausnahme und verhindert selbst bei hochgradig vernetzten molekularen Systemen eine echte Getriebeschaltung.“
Hinzu kommt, dass die von der Wärmeenergie der Umgebung erzeugten Schwingungen der Moleküle, die Brownsche Molekularbewegung, die kontrollierte Bewegung zusätzlich stört. Die meisten Nanozahnräder bewegen sich nur passiv und zufällig vor- und zurück – was für eine molekulare Maschine wenig hilfreich ist.
Ein Zahnradgetriebe aus zwei Molekülen
Anders ist dies mit dem nun von Gerwien und seinen Kollegen entwickelten Nano-Getriebe. Denn ihr Zahnrad samt Gegenstück lässt sich erstmals auch aktiv steuern und antreiben. Das Getriebe erlaubt nicht nur die Übertragung einer Bewegung zwischen zwei räumlich gekippten Bauteilen, sondern tut dies auch in einer kontrollierten 2:3-Übersetzung: Für jede Drehung der Grundplatte dreht sich das propellerartige Molekülzahnrad eineinhalbmal.
Konkret besteht das Nano-Getriebe aus zwei miteinander verzahnten Molekülen, die zusammen nur 71 Atome umfassen. Das Zahnrad wird von einem Triptycen-Molekül gebildet, einer organischen Verbindung aus mehreren Ringen, die einem Schaufelrad oder einem Zahnrad mit drei Zähnen ähnelt. Sein Gegenstück bildet ein um 120 Grad gegen das Zahnrad geneigtes Thioindigo-Molekül, das einer kleinen, länglichen Platte ähnelt.
Licht steuert Bewegung
Das Entscheidende jedoch: Dieses Nano-Getriebe lässt sich durch Licht gezielt antreiben und steuern. Bei Bestrahlung mit blauem Licht bewegen sich die flache Platte und der Triptycen-Propeller gekoppelt gegeneinander. Dreht sich die Platte um 180 Grad, wird der Propeller um 120 Grad weitergedreht – ohne durchzurutschen. Zum ersten Mal ist es dem Team damit gelungen, ein molekulares Zahnrad und sein Gegenstück gezielt anzutreiben.
„Eine solche Kontrolle im kleinsten Maßstab ist von großem Wert für alle, die geordnete Bewegungen für die Funktion von chemischen Nanosystemen benötigen“, konstatieren Gerwien und seine Kollegen. „Unsere Studie eröffnet eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten und Designkonzepten für die Entwicklung vollintegrierter Nano-Maschinen.“
Und nicht zuletzt repräsentiert das Nano-Bauteil auch einen neuen Rekord: Es ist nur 1,6 Nanometer klein und damit das kleinste aktiv angetriebene Zahnrad der Welt. (Nature Chemistry, 2022; doi: 10.1038/s41557-022-00917-0)
Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg