Klima

Ultrafeinstaub begünstigt Wetterextreme

Partikel aus Kraftwerken und Schiffsabgasen fördern Starkregen und Dürren

Abgase
Die Abgasreinigung moderner Kraftwerke unterdrückt zwar gröberen Feinstaub, erzeugt aber Ultrafeinstaub, der Wolken und Regenfälle beeinflusst. © hansenn/ iStock

Paradoxer Effekt: Die bessere Abgasreinigung bei Kraftwerken und Schiffen fördert Wetterextreme und vor allem Starkregen, wie Messungen nahelegen. Denn die Reinigung hält zwar gröbere Partikel zurück, setzt aber mehr Ultrafeinstaub frei. Das verändert die Wolkenbildung und hält Regen länger in den Wolken zurück. Löst er sich dann, ist Starkregen die Folge. Auch der Treibhauseffekt wird durch die Partikel verstärkt.

Weltweit nehmen Wetterextreme immer mehr zu. Vor allem bei den Niederschlägen wechseln sich zunehmend anomal trockene Perioden mit Starkregen-Ereignissen ab. Ein Teil des Starkregens lässt sich mit der Erwärmung der Atmosphäre durch die steigenden Kohlendioxid-Emissionen erklären: Weil wärmere Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann, kann beim Abregnen auch entsprechend mehr davon als Regen fallen.

Ultrafeinstaub im Visier

Allerdings: Die globale Erwärmung allein erklärt nicht, warum solche Anomalien des Wasserkreislaufs räumlich so unregelmäßig verteilt sind. „Es ist daher schwer, die extrem variablen und ungleichmäßigen Veränderungen in der Verteilung und Häufigkeit der Niederschläge allein mit dem CO2 und der vermehrten Wasserdampfaufnahme zu erklären“, konstatieren Wolfgang Junkermann vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Jorg Hacker von der Flinders University in Australien.

Die beiden Forscher haben daher einen weiteren „Verdächtigen“ untersucht: den Ultrafeinstaub. Diese bis zu 100 Nanometer großen Partikel werden unter anderem von modernen Abgasreinigungsanlagen bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe in Kraftwerken oder durch Schiffsmotoren freigesetzt. Diese Anlagen binden Stickstoff mit Ammoniak und setzen dabei besonders viele ultrafeine Partikel frei. Aber auch flüchtige organische Verbindungen aus Autoabgasen können zur Ultrafeinstaub-Bildung beitragen.

Überraschend hohe Belastung – fast überall

Schon frühere Studien hatten vereinzelt festgestellt, dass die Konzentration des Ultrafeinstaubs in besonders häufig von Niederschlags-Extremen betroffenen Gebieten stark angestiegen ist. Ob dieser Zusammenhang auch weltweit gilt und welcher Mechanismus dahintersteht, haben Junkermann und Hacker nun überprüft. Dafür werteten sie Daten von Flugzeug-Aerosolmessungen in ganz Europa, in Australien, Mexiko, der Mongolei und Kenia aus – es ist die bisher umfassendste Kartierung des Ultrafeinstaubs.

Das Ergebnis: „In allen Untersuchungsgebieten, selbst auf dem Land oder in unberührter Natur wie dem Outback oder der inneren Mongolei, haben wir überraschend hohe, aber lokalisierte Konzentrationen von nanometerkleinen Partikeln gefunden“, berichten die Wissenschaftler. Allein für die fossilen Kraftwerke beziffern sie die Ultrafeinstaub-Emission weltweit auf 1,3 x 1030 Teilchen pro Jahr. Das sei das Doppelte der gesamten bisher geschätzten anthropogenen Partikelemission, so das Team.

Abgasfahnen
Partikelemissionen aus den Abgasfahnen von Kraftwerken in Norddeutschland. © Junkermann, Hacker/ Scientific Reports, CC-by 4.0

Kohlekraftwerke und Schiffsabgase als Partikelschleudern

Die Kartierung enthüllt zudem, dass die Stellen mit besonders hoher Belastung oft direkt auf eine in der Nähe liegende Abgasquelle zurückführbar sind. „Die extremen Konzentrationen konnten wir auf Kraftwerke, Raffinerien oder den Schifffahrtsverkehr zurückführen, besonders oft auf Großfeuerungsanlagen mit neuester Abgas-Technologie“, sagt Junkermann. Schon ein einziges modernes Kohlekraftwerk mit 600 Megawatt Leistung emittiere im Schnitt ein bis zwei Trillionen Nanopartikel pro Sekunde.

An den Meeresküsten und auf Inseln lassen sich die Hotspots der Ultrafeinstaub-Belastung oft auf stark befahrene Schiffsrouten zurückführen. „Über den Inseln Malta und Gozo, die leewärts einer der Hauptschiffsrouten durch das Mittelmeer liegen, werden zeitweise Konzentrationen von mehr als 150.000 Partikeln pro Kubikzentimeter Luft erreicht“, berichten die Forscher.

Vermehrte Wasserfracht der Wolken

Das Entscheidende jedoch: Als das Team die Ultrafeinstaubwerte in einem Modell mit Klimadaten der verschiedenen Regionen abglichen, zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang: Der Anstieg der Partikeldichten war unter anderem im Mittelmeerraum, aber auch in Australien oder der Mongolei mit lokal veränderten Niederschlagsmustern korreliert. Es fällt heute weniger anhaltender, gleichmäßiger Regen, dafür häufen sich Dürren und Starkregen.

Den Grund sehen die Forscher im Einfluss des Ultrafeinstaubs auf die Kondensation von Wasserdampf in der Atmosphäre und die Wolkenbildung: Die Partikel begünstigen die Bildung von Wolken aus besonders kleinen Tröpfchen. „Dadurch verweilt Wasser viel länger in der Atmosphäre, der Regen wird zunächst unterdrückt und es entsteht ein zusätzliches Energiereservoir in der mittleren Troposphäre, das extreme Niederschläge begünstigt“, erklärt Junkermann.

Anders ausgedrückt: Weil die kleineren Wolkentröpfchen länger in der Schwebe bleiben, kann sich mehr Wasser in der Wolke anreichern. Wenn sie dann ihre Regenfracht ablädt, fällt entsprechend mehr Wasser auf einmal.

Verstärkter Treibhauseffekt

Und noch etwas kommt hinzu: „Der Ultrafeinstaub verstärkt nicht nur sintflutartige Regenfälle, sondern beeinflusst auch die Strahlungsbilanz im Infrarotbereich“, so die Forscher. Die von den Partikeln geförderten Wolken reflektieren mehr Wärmestrahlung zur Erde zurück – und verstärken so den Treibhauseffekt. Nach Ansicht von Junkermann und Hacker könnte dies zusätzlich erklären, warum die Erwärmung in der letzten Dekade so rasant zugenommen hat.

Die neuen Erkenntnisse unterstreichen einmal mehr, wie komplex das Klimasystem unseres Planeten ist – und wie wenig wir noch immer über die natürlichen und anthropogenen Einflussfaktoren wissen. (Scientific Reports, 2022; doi: 10.1038/s41598-022-11500-5)

Quelle: Karlsruher Institut für Technologie

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